Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Jesus Christus

Der Sternenkönig

The Star King

USA, 1964
Übersetzt von Andreas Irle
218 Seiten
Edition Andreas Irle, 2000
ISBN  3-9804569-7-8
€ 50,--

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Gersen blickte nach rechts, nach links, dann starrte er. Zwei Tische entfernt saß Suthiro, der Sarkoy-Venefize. Gersen wurde es flau in der Magengegend. Gersens Augen treffend, nickte Suthiro höflich, lächelte. Er erhob sich, schlenderte zum Tisch herüber.
»Guten Abend, Herr Gersen.«
»Guten Abend«, sagte Gersen.
»Darf ich mich zu  Ihnen gesellen?«
»Ich würde vorziehen, nicht.«
Suthiro lachte gedämpft, setzte sich, neigte seinen Fuchskopf Pallis zu. »Und diese junge Dame – wollen Sie mich nicht vorstellen«
»Sie wissen bereits, wer sie ist.«
»Aber sie kennt mich nicht.«
Gersen wandte sich an Pallis. »Hier sehen Sie Skop Suthiro, Meister-Venefize von Sarkovy. Sie drückten Ihr Interesse an bösen Männern aus, hier haben Sie einen solch vollkommen bösen Mann, wie Sie ihn wahrscheinlich nur selten sehen können.«
Suthiro lachte in ungezwungener Freude. »Herr Gersen benutzt klugerweise das Wort ›wahrscheinlich‹. Gewisse meiner Freunde übertreffen mich in dem Maße, wie ich Sie übertreffe. Ich hoffe in der Tat, dass Sie ihnen nicht begegnen. Hildemar Dasce, zum Beispiel, der mit seiner Fähigkeit prahlt, Hunde mit einem Blick zu paralysieren.«
Pallis Stimme war beunruhigt: »Ich würde ihm lieber nicht begegnen.« Sie starrte Suthiro fasziniert an. »Sie geben wirklich zu – dass Sie böse sind?«
Wieder lachte Suthiro, ein leises, gedämpftes Geräusch. »Ich bin ein Mensch, ich bin ein Sarkoy.«
Gersen sagte: »Ich schildere Fräulein Atwrode gerade unsere Begegnung in Smades Taverne. Sagen Sie mir etwas: Wer tötete Lugo Teehalt?«
Suthiro schien überrascht. »Malagate, wer sonst? Wir drei saßen drinnen. Macht es einen Unterschied? Es hätte genausogut ich sein können oder der Schöne oder Tristano ... Tristano, übrigens, geht es recht übel. Er hat einen furchtbaren Unfall erlitten, hofft Sie jedoch nach der Genesung zu sehen.«
»Er kann sich glücklich schätzen«, sagte Gersen.
»Er ist beschämt«, sagte Suthiro. »Er hält sich für gewandt. Ich habe ihm gesagt, er ist nicht so gewandt wie ich. Nun, möglicherweise, glaubt er es.«
»Da wir von Gewandtheit sprechen«, sagte Gersen, »beherrschen Sie den Papiertrick?«
Suthiro nickte seitwärts mit dem Kopf. »Ja, natürlich. Wo haben sie vom Papiertrick erfahren?«
»In Kalvaing.«
»Und was hat Sie nach Kalvaing geführt?«
»Ein Besuch bei Coudirou dem Venefizen.«
Suthiro schürzte seine dicken roten Lippen. Er trug einen gelben Hautton, sein brauner Pelz war glatt und glänzte vor Öl. »Coudirou ist so weise wie jeder andere – aber was den Papiertrick anbelangt ...« Gersen reichte ihm eine Serviette. Suthiro ließ sie zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand hinabhängen, schlug sie mit der rechten Hand leicht an. Sie fiel in fünf Streifen auf den Tisch.
»Wohl getan«, sagte Gersen, und zu Pallis: »Seine Fingernägel sind gehärtet, scharf wie Rasiermesser. Natürlich würde er kein Gift an das Papier verschwenden, aber jeder seiner Finger ist wie der Kopf einer Schlange.«
Suthiro stimmte selbstgefällig zu.
Gersen wandte sich wieder ihm zu. »Wo ist Ihr Freund, der Schicke Dasce?«
»Nicht allzu weit entfernt.«
»Mit rotem Gesicht und allem?«
Suthiro schüttelte bedauernd seinen Kopf ob Dasces schlechtem Geschmack bei der Hauttönung. »Ein sehr fähiger, sehr seltsamer Mann. Haben Sie sich je über sein Gesicht gewundert?«
»Wenn ich ertragen konnt es anzusehen.«
»Sie sind nicht mein Freund, Sie haben mich schön ausgetrickst. Nichtsdestoweniger will ich Sie warnen: Kommen Sie dem Schicken Dasce nicht in die Quere. Vor zwanzig Jahren hat man ihm eine kleine Eskapade durchkreuzt. Es war eine Angelegenheit des Einsammelns von Geld von einem halsstarrigen Mann. Durch Zufall fand sich Hildemar im Nachteil. Er wurde niedergeschlagen und an Händen und Füßen festgeschnallt. So hatte sein Gläubiger den schlechten Geschmack Hildemars Nase zu spalten und seine Augenlider abzuschneiden ... Hildemar entkam schließlich und ist nun als der Schöne Dasce oder der Schicke Dasce bekannt.«
»Wie schrecklich«, murmelte Pallis.
»Genau.« Suthiros Stimme wurde verächtlich. »Ein Jahr später erlaubte sich Hildemar den Luxus diesen Mann gefangen zu nehmen. Er brachte ihn zu einem privaten Ort, wo er bis zum heutigen Tage lebt. Und gelegentlich, wenn er an die Gewalttat denkt, die ihm seine Züge gekostet hat, kehrt er an diesen privaten Ort zurück, um dem Mann Vorhaltungen zu machen.«
Pallis wandte sich mit glasigen Augen an Gersen. »Diese Leute sind Ihre Freunde?«
»Nein. Wir sind lediglich durch Lugo Teehalt verbunden.« Suthiro blickte die Esplanade entlang. Gersen fragte müßig: »Arbeiten und trainieren Sie, Dasce und Tristano zusammen?«
»Häufig, obgleich ich für meinen Teil einen singulären Spielraum bevorzuge.«
»Und Lugo Teehalt hatte in Brinktown das Unglück in Sie hineinzustolpern.«
»Er starb schnell. Godogma bekommt alle Menschen. Ist das Unglück?«
»Man treibt Godogma nicht gerne an.«
»Wie wahr.« Suthiro musterte seine starken, flinken Hände. »Einverstanden.« Er blickte in Richtung Pallis. »Auf Sarkovy haben wir tausend beliebte Aphorismen in diesem Sinne.«
»Wer ist Godogma?«
»Der Große Gott des Schicksals, mit Blume und Dreschflegel, der auf Rädern geht.«
Gersen nahm eine Miene gelehrsamer Versammlung an. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie müssen nicht antworten, vielleicht wissen Sie auch nichts darüber. Aber ich frage mich: Weshalb sollte Malagate, ein Sternenkönig, diese besondere Welt so vehement für sich wollen?«
Suthiro zuckte mit den Schultern. »Das ist eine Angelegenheit, mit der ich mich nie befasst habe. Offensichtlich ist die Welt wertvoll. Ich werde bezahlt. Ich töte nur, wenn ich muss oder wenn es mir von Nutzen ist – also verstehen Sie«, sagte er beiläufig zu Pallis, »ich bin nicht wirklich ein so böser Mensch, nicht wahr? Alsbald werde ich nach Sarkovy zurückkehren und meine Tage damit verbringen, die Gorobundursteppe zu durchwandern. Ah, bald! Das ist das Leben! Wenn ich an diese bevorstehenden Zeiten denke, wundere ich mich, weshalb ich hier sitze, neben dieser abscheulichen Nässe.« Er schnitt eine Grimasse in Richtung der See und erhob sich. »Es ist eine Anmaßung Ihnen einen Rat zu geben, aber weshalb nicht vernünftig sein? Sie können Malagate niemals besiegen, deshalb treten Sie das Filament besser ab.«
Gersen dachte einen Augenblick lang nach, dann sagte er: »Ich will mich ebenso anmaßen, im gleichen Geiste, der Sie dazu veranlasst hat. Mein Rat ist dies: Töten Sie Hildemar Dasce in dem Augenblick, in dem Sie ihn sehen oder besser noch vorher.«
Suthiro zog seine pelzigen braunen Augenbrauen in Verwunderung zusammen und blickte für den flüchtigsten aller Momente nach oben.
Gersen fuhr fort. »Ein Ankleber beobachtet uns, obgleich ich ihn nicht ausfindig gemacht habe. Sein Mikrophon hat unsere Unterhaltung wahrscheinlich registriert. Bis Sie es mir gesagt haben, hatte ich keine Ahnung, dass der Sternenkönig in Samdes Taverne Malagate war. Das ist interessant. Ich glaube nicht, dass dies allgemein bekannt ist.«
»Still!« zischte Suthiro, seine Augen loderten in unvermittelt rotem Zorn.
Gersen senkte seine Stimme. »Hildemar Dasce wird sehr wahrscheinlich gebeten werden Sie zu erledigen. Wenn Sie Godogma zuvorkommen wollen, wenn Sie Ihren Wagen über die Gorobundursteppe führen wollen – töten Sie Dasce und gehen Sie.«
Suthiro zischte etwas in seinen Bart, zuckte mit seiner Hand, als wolle er etwas werfen, wich dann zurück, wandte sich um, verschmolz mit der Menschenmenge.
Pallis entspannte sich, sank auf ihrem Stuhl zusammen. In einem unsicheren Ton sagte sie: »Ich bin nicht so abenteuerlustig wie ich dachte.«
»Es tut mir Leid«, sagte Gersen aufrichtig zerknirscht. »Ich hätte Sie nicht bitten sollen mit mir auszugehen.«
»Nein, nein. Ich kann mich nur nicht an diese Art der Rede gewöhnen, hier auf der Esplanade, im friedvollen Avente. Aber ich glaube, eigentlich habe ich es genossen. Wenn Sie kein Krimineller sind, wer oder was sind sind Sie dann?«
»Kirth Gersen.«
»Sie müssen für die IPCC arbeiten.«
»Nein.«
»Dann sind Sie im Spezialkomitee des Intituts.«
»Ich bin nur Kirth Gersen, Privatperson.« Er erhob sich. »Lassen Sie uns ein wenig spazieren gehen.«