Interview mit Jack Vance von 2003 – als pdf (728KB): 2003
Interview mit Jack Vance von 1998 – als pdf (195KB): 1998
2003
Ein Gespräch von VIE-Mitarbeitern
mit Jack Vance
Am Wochenende des 2. und 3. August 2003 haben sich einige VIE-Mitarbeiter über Tele-Konferenz mit Jack Vance unterhalten. Die Teilnehmer am Samstag waren Joel Anderson, Jeremy Cavaterra, Brian Gharst, Chuck King und Ed Winskill; am Sonntag nahmen Chris Corley, Damien Jones, Dave Reitsema und John Schwab teil; John Vance II war an beiden Tagen anwesend. Die Abschrift erfolgte durch Jeremy Cavaterra.
Tag 1: Samstag der 2. August 2003
Jack: Ich habe gedacht, ich nutze diese Gelegenheit hier – wenn ihr Interesse habt, wenn ihr Fragen habt über das, was ich schreibe – euch die Möglichkeit zu geben etwas tiefer in mein Unterbewusstsein einzutauchen. Wenn eure Fragen zu kompliziert oder die Antworten nicht leicht zu definieren sind, könnte es sein, dass ich sage »keinen Kommentar«. Das muss nicht notwendigerweise heißen, dass ich die Frage anstößig finde, es heißt nur, dass ich bei der Antwort alle möglichen vieldeutigen Bemerkungen machen müsste etc. Das im Hinterkopf, können wir anfangen.
Joel: Ich habe großen Spaß an Ihren Schilderungen von Architektur, an der Stimmung und Atmosphäre, die sie erzeugen. Entwerfen Sie Ihre Umgebungen, um eine Atmosphäre heraufzubeschwören?
Jack: Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine definitive Antwort darauf geben; ich denke, alles kommt organisch zustande. Wenn ich eine Geschichte anfange, bin ich in einer Stimmung, die schwer zu erklären ist – habe ein gewisses Gefühl oder eine Idee. Dann, wenn ich die Geschichte schreibe, passe ich alle Aspekte der Stimmung an – was Landschaften umfasst, Architektur …
Joel: Oder Sprache?
Jack: Sprache, Trachten, alles. Das jedenfalls ist mein Ziel, manchmal habe ich Erfolg damit, manchmal nicht …
Joel: Nun, von meiner Warte aus gesehen, haben Sie gewöhnlich Erfolg damit; ich habe nur selten etwas von Ihnen gelesen, was nicht eine bestimmte Stimmung erzeugt hat.
Jack: Offenbar habe ich das Talent dafür! Vielleicht bin ich damit zur Welt gekommen; ich bin nicht besonders Stolz darauf. Es ist so, als wäre man als Links- oder als Rechtshänder auf die Welt gekommen.
Joel: Nun, ich bin froh, dass Sie es haben! Ich habe gehört, Sie haben Ihr Haus selbst gebaut. Wenn Sie eine Geschichte schreiben, skizzieren Sie dann die Pläne für die Bauten, nur so zum Spaß?
Jack: Nein, das tue ich nicht. Als wir ursprünglich hier ankamen, war dieser Ort wie ein Hühnerstall, der in der Luft hing. Mit den Jahren haben Johnny und ich zusammen das gegenwärtige Haus um das alte herum gebaut und das alte Haus förmlich aus dem Fenster geschmissen! Ohne zu übertreiben, das Haus, in dem wir jetzt leben, ist viel größer als der alte Stall vorher. Von dem alten ist, bis auf den Boden im Wohnzimmer, nichts mehr übrig.
Jeremy: In vielen Ihrer Bücher liegt ein Schwerpunkt auf dem Handwerk und Handwerkskunst, besonders bei Dingen wie Keramik, Wandteppichen und Malerei; aber der Schwerpunkt scheint dabei immer auf dem Handwerk zu liegen, statt auf dem, was ich »das Künstlerische« nennen würde. Könnten Sie uns über Ihre Vertrautheit mit Keramik erzählen und vielleicht, wie dies alles in Ihre Werke einfließt?
Jack: In Ordnung, tja, ich glaube, es gibt keine große Verbindung zwischen der Keramik und den Werken, aber Keramik war einmal sehr wichtig für mich – und ist es in gewissem Sinne noch.
Keramik ist ein Handwerk mit so vielen Facetten, so vielen besonderen Gebieten, alle sind interessant. Es gibt die Scheibe, ein Werkstück zu bearbeiten, das Brennen in verschiedenen Temperaturen von 980°C bis – ich habe nie Porzellan gemacht, aber das geht bis 1540°C. Ich habe gewöhnlich bei Cone 5 gebrannt, was etwa bei 1260°C liegt – das ist Steingut.
Der faszinierende Teil ist das Glasieren. Man nimmt dieses Stück weichen Lehms, legt es in diese schreckliche Hitze, es kommt wasserdicht und haltbar wieder heraus. Man glasiert – natürlich kann man es auch kaufen, aber die Herausforderung besteht darin es selbst zu machen, verschiedene Chemikalien zu verwenden und sie nach präzisen Formeln zu mischen, dann diese weiße Paste auf den Körper aufbringen und ihn in den Brenner stellen. Dann wartet man auf das Öffnen des Brennofens wie ein Kind, das Heilig Abend die Treppe herunterkommt, um zu sehen, was unter dem Baum liegt. »Was zum Teufel ist im Brennofen!« Das Resultat kann ein Quell großer Freude sein oder Verzweiflung! Wenn man aber erfolgreich war, kommt die Arbeit mit prächtig glänzenden Farben heraus: Grüntöne, Blautöne – perfekt! Die Beschaffenheit der Glasierung ist manchmal als solches schon etwas Schönes, diese ölige, butterartige Form der Glasierung. Dies sind ästhetische Erfahrungen, den Brennofen zu öffnen und die gebrannten Stücke herauszunehmen.
Das Geheimnis ist, die Glasierung zum Lehm ›passend‹ zu bekommen. In den alten Tagen war das ein schwieriges Unterfangen; man musste durch eine ganze Reihe von mathematischen Berechnungen gehen, dann ausprobieren, wieder probieren und noch einmal probieren. Aber zu der Zeit, als ich mein letztes Studio gebaut habe, kam ein Typ in Kanada mit einem Computerprogramm namens »Insight« heraus, das die Herstellung der Glasierung in solchem Maße vereinfachte, dass es eine Freude war. Die Namen der Bestandteile dieser Glasierungen sind in sich romantisch, gerade so wie die Namen von Musikkompositionen … jedenfalls habe ich genug über Töpferei gesagt, ich liebe es einfach.
Als mein Augenlicht erloschen ist, musste ich die Töpferei aufgeben. Wir verkauften den Brennofen und bauten das Studio ab. Wir haben unten immer noch viele Chemikalien, zusammen mit der Töpferscheibe … das ist die Geschichte.
Zurück zu der allgemeinen Vorstellung vom Handwerk, ja – ich habe eine hohe Wertschätzung für die Handwerkskunst, Dinge präzise zu tun, sie angemessen zu tun. Beginnend mit einer Vision von etwas und es mit einem solchen Sachverstand ausführen, dass es so herauskommt wie man es vorgesehen hat. Das kann im Möbelbau so sein, beim Töpfern, beim Schreiben von Gedichten, nehme ich an.
John V: Beim schreiben von Büchern!
Jack: Tja, ich weiß nicht, ob ich das Schreiben von Büchern ein Handwerk nennen soll oder nicht.
John V: Aber es liegt Handwerkskunst in deinem Werk.
Jack: Das wäre Stoff für eine Diskussion – es könnte sein, ich würde mich nicht darüber streiten. Es gibt alle möglichen Arten von Handwerk. Jeremy, was denken Sie über Herumgeklimper auf dem Piano, denken Sie, das ist ein Handwerk?
Jeremy: Nun, wenn man argumentiert, dass das Schreiben von Büchern ein Handwerk ist oder »Handwerkskunst« die Fähigkeit etwas nach seinen Vorstellungen zu schaffen, dann sicher, warum nicht?
Jack: Aber ich glaube, es ist nicht so sehr die Musik selbst, dass das »Handwerk« das Treffen der richtigen Tasten ist, sich selbst beizubringen einen bestimmten Effekt im Sinn zu haben und dann seine Finger die richtigen Tasten finden zu lassen …
Jeremy: Die Art wie Sie schreiben, dieses Gespür für die Genauigkeit ein Gefühl oder eine Vorstellung mit bestmöglicher Wirkung in Worte zu kleiden – das ist die Art von Handwerk, von der ich spreche. Ich meine, es ist analog gegenüber den Arten von Handwerk, die Sie erwähnt haben.
Jack: Dem stimme ich zu.
Ed: Wenn ich an Handwerkskunst denke, denke ich an Emphyrio, das viel von Handwerkskunst handelt, das ganze Buch …
Jack: Ja, Handwerkskunst kommt in der Geschichte vor. Ich bewundere Handwerker. Künstler? Das Wort hat so viel unangenehmen Beigeschmack, wisst ihr, »Künstler« – diese Leute mit langen Haaren und komischen Haltungen. Ich spreche von den altmodischen Stereotypen des Künstlers; der Art Künstler aus dem 19. Jahrhundert.
Wenn es jemanden interessiert, werde ich euch meine Definition von Kunst geben. Ich lege das natürlich nicht als Universalgesetz dar, aber meiner Ansicht nach versucht jemand, der eine emotionale Reaktion auf etwas hat, diese emotionale Reaktion jemand anderem auf symbolische Art und Weise zu vermitteln. Das ist wichtig: Der Künstler muss Symbole verwenden, die nicht nur für ihn verständlich sind, sondern auch für die Person, mit der er kommunizieren will; es muss ein gemeinsames Wissen um die verwendeten Symbole geben, weil, wenn der Künstler Symbole verwendet, die der Betrachter oder Zuhörer nicht interpretieren kann, versagt der Künstler; er kommuniziert nicht. Dies ist mein Einwand gegen die abstrakte »Kunst«, sozusagen – mit Kunst in Anführungszeichen – und den sogenannten »modernen Jazz«. Die Leute, die daran beteiligt sind, verwenden Symbole, die nur ihnen selbst bekannt sind; es ist eine Art narzisstischer Ansatz, der nichts bedeutet, außer für sie selbst. Die Leute, die zuhören – tja, man hört eine Menge über Leute, die nichts über Musik oder Kunst wissen, die über die Dinge entzückt sind – sie haben keine Ahnung, was es bedeutet, außer dass sie sagen könnten: »Das ist irgendwie ›hell‹ und das ist irgendwie ›heiter‹ …, aber sie verstehen den Symbolismus für das nicht, was der Künstler im Sinn hatte.
Aber das ist genug über »Kunst«. Okay! Die nächste Frage?
Brian: Als ich zum ersten Mal ein Buch von Ihnen in die Hand bekommen habe, damals, als ich an der High School war, war das, was mich gepackt hat und mich hat sagen lassen: »Wow, das ist richtig klasse«, die Art wie alle miteinander redeten. Selbst die Schurken und Schufte waren intelligente Leute und redeten mit Ironie und Untertreibung.
Mir scheint, das war von Anfang an so, auch in Ihren ganz frühen Büchern. Ist das etwas, was Sie selbst entwickeln mussten, bevor Sie angefangen haben zu veröffentlichen? Oder ist es etwas, was natürlich entstanden ist? Und was war die Reaktion, in den frühen Tagen?
Jack: In den frühen Tagen, nachdem ich einige Kurzgeschichten veröffentlicht hatte, erwähnte einer der Herausgeber »vanceartig« im Zusammenhang mit den Geschichten, die ich geschrieben hatte. Also hatte ich offenbar zu dieser Zeit schon eine Art unverwechselbaren Ansatz. Aber die Antwort auf Ihre Frage: Ich glaube, es ist wegen meiner Wertschätzung gegenüber solchen Meistern wie P.G. Wodehouse entstanden, der ein absolutes Genie ist, was Rhythmus angeht und Trockenheit in seinem Dialog. Darin ist er überragend und erhält zu wenig Anerkennung als einer der großen Schriftsteller. Das heißt natürlich vor dem Krieg; nach dem Krieg war er nirgends. Aber Wodehouse's Dialog ist einfach wunderbar. Er ist manieriert, natürlich; Jeeves spricht auf gewisse Weise und man muss es schätzen. Es gibt auch einen Typ aus den 1920ern namens Jeffrey Farnol; er hat Abenteuergeschichten geschrieben, er verwendete Dialog mit großer Sorgfalt und war ebenso brillant damit. Insbesondere diese beiden gaben mir ein Ziel, auf das ich zuarbeitete: Wenn ich so gute Dialoge schreiben konnte, wie Wodehouse oder Farnol, fühlte ich mich, als hätte ich etwas Gutes getan.
Neben diesem Aspekt denke ich einfach nicht darüber nach, ich war deswegen nicht befangen, es hat sich einfach von selbst entwickelt.
Brian: Haben Sie sich je Sorgen darum gemacht, ob die Leser das akzeptieren würden?
Jack: Nein, daran habe ich überhaupt nicht gedacht, nicht mehr als bei anderen Teilen der Geschichte auch. Mit anderen Worten, das Ganze war organisch, der Dialog und die Exposition etc. waren alle Teil desselben und ich wollte es einfach einheitlich machen.
Um auf die Stimmung zurückzukommen, von der ich gesprochen habe, – alle Teile der Geschichte sollten in sich schlüssig sein und mit der Stimmung einhergehen, die Stimmung erzeugen, die Stimmung unterstützen. Also dienen beide, Exposition und Dialog, meiner Ansicht nach, diesem Zweck.
John V: Hier kann ich noch etwas einwerfen, Brian. Dad schert sich normalerweise keinen Deut darum, was irgendwer anderes denkt. Das ist vielleicht ein wenig geradeheraus, aber er hat sich wahrscheinlich nie darum gekümmert, ob andere seinen Stil gut finden, weil es ihm nicht wichtig war. Er hat es einfach so gemacht, wie er es gerne wollte.
Brian: Ich lese oft eines Ihrer Bücher in meinem Wohnzimmer und meine Frau sitzt mit mir da und plötzlich, wie aus dem Nichts, entfährt mir ein Keuchen der Zufriedenheit – und sie weiß, dass ich einen Vance-Roman lese – und ich einen dieser schönen, sehr cleveren Dialoge erwischt habe, die ich so gut finde.
Jack: Übrigens …
Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich finde nicht die richtigen Worte, um meine Gefühle gegenüber euch Leuten auszudrücken. Es ist nicht genau Dankbarkeit, ich glaube, es ist einfach pure Freude, dass ich eine Gruppe von Leuten wie euch erreicht habe.
Ich war auf dieser Convention in Columbus und mir kam einfach zufällig dieser Gedanke – und ich sagte dies einer Gruppe von Leuten –, dass ich keine dummen Fans hätte! Jeder, der mein Zeug zu mögen scheint, ist hochintelligent, was, wie ich meine … tja, es ist für mich eine Quelle der Eitelkeit oder etwas in der Art. Aber jedenfalls schätze ich euer Interesse, ich kann nicht sagen, dass ich Dankbarkeit verspüre, denn das ist nicht das richtige Wort. Vielen Dank euch allen!
Chuck: Ich habe eine Frage in Verbindung zu einigen der Dinge, über die Sie gerade gesprochen haben, als Sie Ihre früheren Werke erwähnten. Ich habe mich gefragt, ob Sie mir etwas über die Beziehung zwischen Schriftstellern und Herausgebern sagen können.
Jack: Herausgeber sind im Allgemeinen frustrierte Schriftsteller. Wenn man es genauer überlegt, ist das falsch; es sind Geschäftsleute. Mit einigen bin ich großartig klar gekommen; andere, wie John Campbell, konnten mich sowenig sehen, wie feuchten Eulendreck. Obwohl, das ist nicht ganz richtig, sobald ich eine Geschichte für John Campbell geschrieben hatte, die Telepathie oder etwas Ähnliches beinhaltete, mochte er es.
Campbell war gefesselt von Dingen wie Telepathie, Telekinetik, außersinnlichen Wahrnehmungen aller Arten. Er hatte Interesse daran; wie ich auch, was das angeht … aber ich wusste, ich könnte ihm immer etwas verkaufen, solange ich etwas in der Art einarbeitete. Einige meiner schlechtesten Geschichten – einfaches Geschreibsel, einiges von dem Schlechtesten, das ich je geschrieben habe, habe ich an ihn verkauft; er liebte es.
Aber im Allgemeinen hängt die Beziehung zwischen Schriftsteller und Herausgeber von den Personen ab. Es ist eine persönliche Angelegenheit; ansonsten habe ich keine grundlegenden Theorien oder Thesen.
John V: Zurück zur Telekinetik und diese Art Sachen – du hast gesagt, du interessierst dich dafür, heißt das, du glaubst daran?
Jack: Im Allgemeinen bin ich ein Skeptiker, was diese Dinge betrifft. Dann stoße ich natürlich auf Dinge, lese irgendwo etwas … wie ein Buch, das ich neulich gelesen habe, von John Edward – er ist ein Medium oder so etwas – er ist so sachlich darin über Gespräche mit Toten zu schreiben, er nimmt es so beiläufig, wie ein Mechaniker, der einen Wagen repariert, sodass man sich am Kopf kratzt und sagen muss: »Was zum Teufel geht hier vor?«
Im Allgemeinen bin ich skeptisch; ich hatte selbst keine Erlebnisse und ich kennen niemanden, der eines gehabt hat, der mich nicht angelogen hat, als er mir davon erzählt hat.
Ich bin skeptisch, was diese Gebiete angeht – ich glaube es, wenn ich es sehe.
John V: Ich glaube, du bist »skeptisch, aber dir lassen die Möglichkeiten keine Ruhe«.
Jack: Ganz genau. Diese Dinge lassen mir keine Ruhe!
Es gibt ein Buch namens Ghosts in Irsih Houses von einem Typ namens James Reynolds; es ist ein wunderbares Buch. Als wir in Irland waren, habe ich mich umgesehen und versucht diese Häuser zu finden, konnte aber keines von ihnen finden; wir besuchten dort eine Universität und ich suchte einen Anthropologie-Professor auf und unterhielt mich mit ihm. Ich dachte, er würde über solche Dinge Bescheid wissen. Das zeigt, was für ein verdammter Tor ich war! Ich ging zu ihm hinauf und fragte: »Sir, was sind Ihre Erfahrungen mit Geistern in irischen Häusern, wie sie James Reynolds in seinem Buch beschreibt?« Er warf mir einen vernichtenden Blick zu und sagte: »So etwas gibt es in Irland nicht!« Er verachtete die Vorstellung, dass die Iren überall Geister sehen. Ich schlich mich mit eingezogenem Schwanz von dannen. Ich habe niemals irgendeinen Geist in Irland gesehen.
Wie John schon sagte, ich bin skeptisch, aber diese Dinge lassen mir keine Ruhe. Es ist die Romantik an diesen Vorstellungen – die Romantik von heimgesuchten Häusern und Burgen – das sind die Dinge, die die Phantasie anregen!
Ed: Sie haben über Stimmung gesprochen und ich wollte speziell in Hinblick auf Wasser danach fragen. Es scheint Sie haben viel Zeit an Mündungen verbracht; Sie haben über Fenne und Watten und Hafenherbergen geschrieben. Ich würde gern wissen, woher Sie das alles haben?
Jack: Ich wurde in San Franzisko geboren. Als ich sechs Jahre alt war, zog die Familie zur Ranch meines Großvaters im Delta um, wo sich die Flüsse Sacramento und San Joaquin in Wasserwege aufteilen, die lokal als »Sümpfe« bekannt sind. Einige dieser Sümpfe sind eindrucksvoll schön, gesäumt mit Pyramidenpappeln und Trauerweiden; unser Haus grenzte an einem von ihnen. Ich bin inmitten dieser Sümpfe aufgewachsen, bin geschwommen, Boot gefahren und umhergewatet.
Später haben Poul Anderson, Frank Herbert (obwohl er später ausstieg) und ich ein Hausboot gebaut, 4,20 Meter breit und 9,60 Meter lang. Wir brachten es auf diese Wasserwege und kreuzten hindurch. Das war eine der großen Zeiten in meinem Leben, wir hatten so viel Spaß an Bord dieses Kahns, gewöhnlich an den Wochenenden. Ich hatte einen 25-PS-Außenborder; wir gingen irgendwo vor Anker, lachten und scherzten, tranken Bier und machten Musik, während die Damen drinnen das Essen vorbereiteten.
Aber jedenfalls bin ich zwischen diesen Wasserwegen aufgewachsen und hege ihnen gegenüber eine grundlegende, ureigene Liebe.
Bild Jack auf dem Deck des Hausboots, ca. 1966.
Joel: Ich habe eine ziemlich dumme Frage, aber ich würde sie gern trotzdem stellen …
Jack: Ich gebe eine dumme Antwort.
Joel: Okay! Wenn die Filmmacher an Sie heranträten, wie die Cohen-Brüder, Scorsese, Peter Jackson – welches Ihrer Bücher wäre Ihrer Ansicht nach eine gute Wahl für einen zwei-Stunden-Film?
Jack: Tja, ich weiß nicht … ich würde denken – nicht, dass ich irgendetwas über Filme wüsste –, aber für mich würde die Lyonesse-Reihe vielleicht etwas für jemanden wie Disney sein, aber niemand hat mehr als nur Interesse gezeigt. Vielleicht wäre Trullion gut?
Ed: Ich würde das gern als Film sehen!
Jack: Vielleicht auch andere, Emphyrio? Ich habe nicht allzu viel darüber nachgedacht.
Ich habe eine Spannungsgeschichte namens Bad Ronald geschrieben, die angekauft und zu einem Fernsehfilm gemacht wurde. Die Leute wollten es immer wieder machen; es ist ein guter Film geworden. Dann gibt es noch eine, die ich ursprünglich "Chateau d'If" genannt habe, die der Herausgeber aber in "New Bodies for Old" umbenannte. Der wurde auch angekauft und zu einer Art Fernsehfilm gemacht.
John V: Dad, bist du sicher, dass jemals etwas daraus geworden ist oder war darauf nur eine Option?
Jack: Ich bin nicht sicher …
John V: Vor ein paar Jahren haben wir uns damit herumgeschlagen, weil es nur die Option gewesen ist, die verkauft wurde. Irgendjemand trat an uns heran, bot Geld an, das wunderbar gewesen wäre, aber es stellte sich heraus, dass die Option für $500 oder etwas in der Art vor einigen Jahren verkauft worden war …
Jack: Ich weiß es nicht, du könntest Recht haben.
Jeremy: Da wir von Lyonesse sprechen, verglichen mit anderen Geschichten im Fantasy-Genre gibt es dort eine wissenschaftliche Unterströmung bei der Folklore, die irische, britannische und nordeuropäische Folklore. Haben Sie Lust darüber etwas zu sagen?
Jack: Wie lautete die Frage?
Jeremy: Nun, ich habe mich gefragt, ob Sie speziell etwas über Elfenmärchen erzählen könnten.
Jack: Tja, natürlich habe ich mein ganzes Leben Märchen in mich aufgenommen – Lord Dunsany und dergleichen. Sie sind Teil meines geistigen Hintergrundes. Es ist eine Frage der Romantik; Elfen sind romantische kleine Geschöpfe. Ich glaube nicht an Elfen, aber sie geben sehr schöne kleine Verzierungen ab. Es wäre schön, wenn sie existieren würden. Aber ich erwarte nicht wirklich hinauszugehen und sie im Eukalyptusbaum sitzen zu sehen.
Ich weiß nicht, ob das Ihre Frage beantwortet oder nicht. Ich will damit sagen: Ich habe Lord Dunsany als junger Mann viel besser gefunden, als ich es jetzt tue. Jetzt halte ich ihn für zu schwülstig, überreif, über-emotional, über-sentimental. Aber als ich ihn zuerst gelesen habe, hat er einen großen Eindruck hinterlassen.
Nebenbei bemerkt war Dunsany, der all diese schönen, feinfühligen Stoffe geschrieben hat, Großwildjäger! In seiner Burg in Irland findet man überall die Köpfe von Bisons, Löwen und Tiger. Es ist schwer, den Tiere schießenden Lord Dunsany mit dem schreibenden in Einklang zu bringen, der diese feinfühligen Geschichten hervorgebracht hat.
Sic transit gloria mundi …
Chuck: Eines der Dinge, die mir in Ihren Werken aufgefallen sind, ist, dass Sie ein sehr scharfer Beobachter der Gesellschaft und Kultur sind. Ich frage mich, ob Sie darin übereinstimmen, dass Kalifornien immer schon als grundlegend anders gegenüber den anderen Staaten wahrgenommen wird?
Jack: Das ist eine komplizierte Frage. Kalifornien ist ein solch vielfältiges Land: oben im Norden – alles Wald und ein oder zwei Vulkane und unten im Süden haben wir die Mojave-Wüste, das Death Valley und Los Angeles, San Diego am unteren Ende – ein schöner Ort für alte Menschen, um sich zur Ruhe zu setzen. Und San Franzisko, eine Lasterhöhle …
Ed: Und San Rodrigo County ist dort irgendwo …
Jack: San Rodrigo County ist eine Mischung, wie dort, wo ich aufgewachsen bin: von San Joaquin County und einigen kleineren Counties weiter im Süden. Es ist ein zusammengefügtes County, aber im Allgemeinen hat es genau die Atmosphäre der Counties, wie es vor dreißig oder vierzig Jahren gewesen sein mag – natürlich nicht so, wie es heute ist.
Aber Kalifornien, wie ich schon sagte, ist ein solch vielfältiger Ort. Raymond Chandler schreibt über Los Angeles und lässt es so aussehen, als wäre es eine Insel in der Mitte des Universums. Ich wüsste niemanden, der über San Franzisko in ähnlicher Weise schreiben würde. Gegenüber früher ist es eine vollkommen andere Stadt. Heutzutage ist es etwas Eigenständiges, ein idiosynkratisches sui generis, um ein geflügeltes Wort zu benutzen.
Es gibt eine Menge guter Jazz-Bands in San Franzisko: die Lu Watters Jazz Band … dann gibt es eine Band, die von Los Angeles aus arbeitet, namens South Frisko Jazz Band … Aber als Antwort auf Ihre Frage würde ich sagen, dass Kalifornien einfach zu verdammt kompliziert ist, um zu verallgemeinern. Natürlich versuchen wir jetzt Gray Davis loszuwerden – wir sind hier von Demokraten heimgesucht! … Nächste Frage?
Ed: Ich bin froh, dass Bad Ronald erwähnt wurde, weil der Film, der daraus gemacht wurde, wirklich gut war. Ich habe ihn einige Male gesehen. Aber sie mussten die Geschichte abschwächen. Im Film wird Ronald rechtzeitig erwischt, im Buch nicht. Es ist eine Art Gebrüder-Grimm-Qualität, ein gewisser Ton, den Sie treffen – eine »Distanziertheit« oder »Losgelöstheit«, wenn etwas Böses geschieht und ungesühnt bleibt. Eine Ihrer bemerkenswertesten Szenen ist, als Cugel die unschuldigen kleinen Wasserwesen abschlachtet, weil sie die Untat begangen hatten ihn nass zu machen. Oder als die Elfe Twisk an den Pfosten am Kreuzweg gekettet wird und so weiter …
Jack: Ja, mit diesen Dingen muss objektiv verfahren werden. Ich versuche zu beschreiben, was vorgeht, ohne emotional gefärbte Adjektive oder Adverbien zu verwenden, nur Nomen und Verben. Wenn man versucht zu viel Wirkung einzubringen, verliert man den Effekt. Man erhält den Effekt, indem man lediglich die Umstände detailliert beschreibt, ohne sie zu kommentieren. Das ist der Trick, recht einfach eigentlich.
Eines der Geheimnisse des Schreibens ist, meiner Ansicht nach, jedes Mal, wenn man ein Adjektiv oder Adverb sieht, es loszuwerden. Man sollte sie meiden, wo es nur möglich ist. Es macht das Schreiben weitaus schärfer.
Ed: Sie verbinden kein Urteil damit, Sie legen nur dar.
Jack: Ganz recht – man sagt es, wie es eben ist.
Joel: Der Mangel an romantisierenden Elementen macht die Geschichte effektiv. Die Filme der Cohen-Brüder teilen dies in gewissem Grad, sie enthalten einige hässliche Dinge, aber sie werden nicht romantisiert, nicht aufdringlich dargestellt …
Ed: Sie werden nicht sentimentalisiert …
Joel: Richtig, sie werden nur dargelegt.
Noch eine Frage zum Schreiben … Planen Sie Ihre Bücher, starten Sie mit einem Entwurf? Und wenn, »benehmen« sich die Geschichten? »Bleiben« sie so, wie sie »bleiben« sollen?
Jack: Ich beginne mit einer allgemeinen Idee, aber wenn ich sie durchgehe, muss ich wieder zurück und allem eine Art Einheitlichkeit geben. Alle von euch würden das Gleiche tun – mit einer Idee beginnen und sie auf bestmöglichem Weg zuende bringen.
John V: Wie lange würde einer deiner Entwürfe normalerweise dauern?
Jack: Oh, das weiß ich nicht, es kommt darauf an … einige Teile müssten detailliert ausgearbeitet werden, wenn ich eine Idee bannen will, und ich würde einen Abschnitt schreiben. Aber im Allgemeinen gibt es keine detaillierten Entwürfe.
Joel: Arbeiten Sie im Augenblick an etwas?
Jack: Ja, ich arbeite im Augenblick an etwas, aber es ist keine Fortsetzung von Lurulu oder Ports of Call. Es ist etwas Neues, eine neue Idee.
Joel: Ich nehme an, wir sollten nicht fragen, was es ist, sondern einfach warten?
Jack: Nein, ihr müsst abwarten, dann werdet ihr sehen!
Brian: Es gibt einen Charakter in Ihren Büchern, den ich schon immer interessant gefunden habe: Kirdy Wook aus Araminta Station. Ich glaube, er ist einer der tragischsten Gestalten, über die Sie je geschrieben haben. Es ist sehr schwer für mich das Buch zu lesen, wegen dem, was ihm widerfährt und wie er darauf reagiert. Ich habe mich gefragt, ob Sie einen Kommentar geben können, wie es dazu kam?
Jack: Nein, ich habe keinen Kommentar, außer, dass er einfach da war und ich ihn als Ganzes sah und er verhielt sich in der Geschichte so wie diese Person.
Diese Formulierung hört sich sehr »künstlerisch aufgemacht« an und ich meine es nicht auf die Art wie selbstbewusste Künstler-Schriftsteller reden, wie »mein Charakter geht seinen eigenen Weg« und all das. Aber ich habe ihn nicht künstlich geführt.
John V: Dad, besteht die Möglichkeit, dass einer deiner Brüder diesen Charakter beeinflusst hat? Es ist etwas an ihm, was mich ein wenig an einen deiner älteren Brüder erinnert.
Jack: Nein – er ist keineswegs wie einer von ihnen.
Brian: Der Charakter kam mir aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus bekannt vor; ich habe gesehen, wie das, was ihm geschehen ist, wirklichen Leuten geschehen ist und war sowieso von ihm fasziniert.
Jack: Tja, neben dem, was ich bereits gesagt habe, gibt es nichts mehr von Kirdy Wook zu sagen. Er war einfach da.
Chuck: Eines der Themen, die ich in Ihren Büchern interessant finde, hat mit den größenwahnsinnigen Schurken zu tun, die sich als über der normalen Masse stehend betrachten, Leute wie Howard Alan Treesong oder Faurence Dacre oder Paul Gunther.
Jack: Wie Sie bemerken, konzentrieren sich diese Leute in der Dämonenprinzen-Reihe. Jede dieser Geschichten musste einen bösen Buben haben (nebenbei bemerkt, Dämonenprinzen ist nicht mein Titel, jemand anderes hat es so genannt). Aber sie sind alle verschieden und ich glaube, sie werden mit der Serie besser. Ich bin nicht so begeistert von den ersten beiden, ich nehme an, sie sind in Ordnung, aber Palace of Love und die folgenden, The Face und Book of Dreams – ich mag diese letzten drei Bücher.
Chuck: Na, ich hatte neben Treesong nicht an die anderen Dämonenprinzen gedacht, sondern an Dr. Faurence Dacre aus "Freitzke's Turn" …
Jack: Tja, er war einfach nur ein böser Bube, aber kein schlimmer, gefühlloser Verbrecher. Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe die Geschichte vergessen …
Chuck: Eine andere Stelle, wo der Charakter beschließt, er sei das einzige Wesen im Universum und bestimmt es zu seinem Nutzen zu formen, ist Paul Gunther aus The House on Lily Street.
Jack: Oh ja! Das war, als die Welt noch jung war, als ich das geschrieben habe. In den Tagen, als Beatniks noch Beatniks waren! Das war noch vor den Hippies – die Beatniks waren an der Macht. Erinnert ihr euch?
Jeremy: Ich bemerke einen gemeinsamen Zug an vielen Ihrer Schurken, dass sie missverstandene Charaktere sind, die dazu neigen phantasievoll zu sein und diese sehr komplizierte innere Fantasy-Welt zu besitzen, die sie in manchen Fällen nach außen kehren – wie Viole Falushe.
Jack: Ja, das ist richtig.
Jeremy: Und ich habe das sogar in Bad Ronald bemerkt, er hat diese detailliert ausgearbeitete, kreative innere Welt. Sie alle neigen zu so etwas.
Jack: Ich glaube, das macht sie interessanter, mehr als nur die Josef-Stalin-Typen. Selbstverständlich weiß ich nicht, wie Josef Stalin war, meines Wissens nach könnte er sehr phantasievoll gewesen sein …
Chuck: Das bringt mich zu meiner nächsten Frage, die wäre, ob diese Person auf einer wirklichen Gestalt basiert.
Jack: Nein, es war nur ein Weg, um etwas richtig Unangenehmes hinzubekommen. Alle von uns können das Gleiche tun – jeder von euch Leuten da draußen, wenn ihr euch hinsetzt, um ein Buch über etwas Unangenehmes zu schreiben, jeder von euch würde mit einer anderen Variante von böser Bube oder böse Dame aufwarten, aber es wäre mehr oder weniger so wie ich es tun würde: ihr findet einfach heraus, was die Person funktionieren lässt und weshalb er oder sie sich von den anderen unterscheidet und was ihn in diese Richtung gehen lässt. Ich will nur den Schurken interessanter machen.
Chuck: Weshalb sieht es so aus als hätten Sie relativ wenige weibliche Leser und somit auch so wenige VIE-Mitarbeiterinnen?
Jack: Ich habe nicht die geringste Ahnung! Ich halte mich natürlich für einen großen Charmeur, aber das scheint nicht viel zu bringen – ich kann sie nicht anziehen! Ich wünschte, ich wüsste das Geheimnis …
Ich lese viele Kriminalgeschichten und es ist seltsam, aber wenn ich auf einen von einer Dame geschriebenen stoße, mit einer Inspektorin, die Damenprobleme behandelt, legte ich ihn einfach beiseite, weil ich weiß, dass diese Dinge auf alternde Damen in mittlerem Alter ausgerichtet sind, die Zuhause sitzen und Damenbücher lesen.
Natürlich gibt es einige vorzügliche Schriftstellerinnen. Tatsächlich ist eine meiner liebsten, wenn nicht gar überhaupt mein liebster Schriftsteller M.C. Beaton, die ich euch allen empfehle. Sie ist eine wunderbare Schriftstellerin. Für diejenigen, die sie nicht kennen, sie schreibt über ein kleines Dorf, Lochdubh, an der Küste von Schottland. Hamish Macbeth, ihr Inspektor, ist ein wundervoller Protagonist. Und Priscilla, seine Liebe, funktioniert großartig als sein Gegenpart. Eigentlich sind alle ihre Geschichten großartig. Sie hat noch eine andere Serie namens Agatha Raisin, die ich nicht so sehr mag. Ich finde Agatha Raisin ist kein sehr reizvoller Charakter. Natürlich gibt es Ruth Rendell – ihr Pseudonym ist Barabara Vine –, die eine wunderbare Schriftstellerin ist, aber sie ist eine solche Pessimistin, diese Sachen ziehen einen runter! Und doch, auf der anderen Seite, wenn sie sich mit ihrem Inspektor Wexford beschäftigt, ist sie nicht so. Deborah Crombie ist ebenfalls eine gute Schriftstellerin.
Jedenfalls ist das jetzt genug Kritik über Schriftstellerinnen.
Chuck: Sie haben die Küste von Schottland erwähnt, was zu einer anderen Sache passt, wonach ich fragen wollte: Ich habe gehört, Sie sind auch ein Anhänger von gutem Whisky.
Jack: Ganz genau. Sogar von schlechtem Whisky.
Chuck: Welches sind ihre liebsten Tropfen?
Jack: Tja, ich sage Ihnen die Wahrheit, ich wünschte ich wäre, was die Franzosen »fin bec« nennen, aber ich habe keinen guten Sinn für Weine, ich bin ganz zufrieden mit billigem Wein. Teurer Wein ist bei mir verschwendet. Ich trinke alle und es scheint, als würde ich bemerken, wenn ich besonders guten Wein bekomme, aber ich mache keinen Wirbel darum. Was diese Single Malts angeht, ich habe fünf oder sechs verschiedene Sorten im Haus, aber ich kann kaum den einen vom anderen unterscheiden. Ich bin gespannt darauf den Artikel in COSMOPOLIS zu lesen. Vor einigen Monaten gab es eine Scotch-Auktion und einige Sorten verkauften sich für $400-$500 pro Flasche! Die 50 Jahre alten Macallans waren sehr wertvoll und andere auch. Aber ich bleibe bei dem Zeug für $20, in diesem Bereich: Glenlivet etc.
In Ordnung! Gibt es noch mehr, was ihr über meinen schlechten Geschmack bei Alkohol wissen wollt?
Jeremy: Ich hatte noch eine Frage über Kriminalromane. Haben Sie eine Meinung über John Dickson Carr?
Jack: Ich halte ihn für eine Art Poseur. Er stellt sich gern als Unterhalter dar und in der Mitte seiner Geschichten erlebe ich, wie er unterbricht und mit dem Leser redet, er sagt: »Leser, wenn du jetzt das Problem lösen kannst, gratuliere ich dir« oder etwas in der Art. Und ich mag seinen Detective nicht, Dr. Fell, er wirkt so unecht. Manchmal sind seine Ideen findig, wirken aber immer künstlich und nicht sehr überzeugend. Kurz, ich mag ihn nicht sehr.
Ed: Ich würde Sie gern nach Ihren eigenen Kriminalromanen fragen, eine Richtung, die Sie eingeschlagen haben, nicht so wie einige andere Sachen von Ihnen … besonders die Joe-Bain-Bücher sind großartig, sie beschwören Kalifornien ausgezeichnet herauf. Ich habe mich schon immer gefragt, weshalb Sie diese Kriminalromane nicht weiterverfolgt haben.
Jack: Weil, ich sage es Ihnen – nachdem ich The Pleasant Grove Murders herausgebracht hatte, hatte ich einen Entwurf namens The Genesee Slough Murders. Mein Herausgeber starb und derjenige, der seine Stelle übernahm, schickte ihn mir zurück. Vielleicht war es kein so guter Entwurf wie er hätte sein sollen. Also habe ich etwas anderes angefangen und nicht mit diesem San-Rodrigo-County-Stoff weitergemacht. Obwohl es mir irgendwie Leid getan hat; ich habe dieses Milieu gemocht und Joe Bain auch.
Ed: Ich mag Joe Bain auch! Ich liebe sein Rasthaus in den Bergen.
Jack: Ja, das hat Spaß gemacht.
Ed: In dieser Beziehung frage ich mich, ob diese Realwelt-Szenerie nicht Ihren Spielraum etwas einschränkt, insbesondere im Dialog. Die ironische Art und Weise des Dialogs, der so sehr den Ton bestimmt, den wir lieben, wäre schwer dort einzubringen.
Jack: Tja, ich glaube es funktioniert ganz gut. Ich war nicht unglücklich über den Dialog. Ich dachte, Joe Bain war ein guter Charakter, ich wünschte, ich hätte mit den Geschichten weitermachen können. Er war – ich will nicht sagen inspiriert –, aber da gab es einen Typ namens A.B. Cunningham, der über Sheriff Jess Roden in Tennessee vor langer Zeit geschrieben hat. Wenn ihr euch die aus der Bücherei holt, werdet ihr herausfinden, dass es ganz und gar nicht wie Joe Bain ist … Sheriff Jess Roden hat einen Handlanger, einen großen schwarzen Kerl, der in jeder Geschichte in einen Faustkampf mit dem bösen Buben gerät und anschließend mit ihm den Boden aufwischt – es sind unterhaltsame Bücher. A.B. Cunningham – wenn ich mich nicht irre war er Texaner.
Chuck: Noch eine auf die Schnelle. Welcher Aspekt an Ihrem Werk gibt Ihnen die größte Befriedigung?
Jack: Den Scheck zu kriegen. Ich mache keinen Spaß!, aber, um nicht ganz so sardonisch zu sein, könnte ich sagen: Das Wort »Ende« zu schreiben.
John V: Als ich aufwuchs und herumgealbert habe, im Haus herumgerannt bin, während Dad geschrieben hat, kicherte er gelegentlich wie aus dem Nichts in sich hinein. Es war ziemlich klar, dass er an dem Freude hatte, was er tat – dass der Schriftsteller eine gute Zeit verbrachte.
Ed: Wenn ich in Ihren Büchern nach Ihnen gesucht habe, Jack, dachte ich, Sie in Navarth gefunden zu haben. Ist da etwas dran?
Jack: Er ist einer meiner liebsten Charaktere. Ich identifiziere mich auf gewisse Weise mit ihm, betrachte ihn aber nicht als ich, obwohl ich ihn und seine Ideen mag. Aber es ist sehr scharfsinnig von Ihnen; von allen Charakteren, über die ich je geschrieben habe, ist Navarth derjenige, mit dem ich mich am meisten identifiziere, obwohl er eine vollständig andere Person ist als ich. Doch trotzdem, es gibt Elemente.
Ich mag auch Navarths Gedichte.
Ed: Ich liebe sie.
Jack: Nie redet jemand über meine Gedichte!
Ed: »Tim R. Mortiss« – eines meiner Lieblingsgedichte. Das und am Ufer mit Granatapfelwein abgefüllt zu werden …
Jack: Ja, »Eridu«. Das ist ein gutes Gedicht. Dann dieses »Lied der Darsh« und noch ein anderes, an das ich mich vage erinnere, obwohl ich nicht mehr weiß, wo es war. Es war über Gift …
Ed: »Unter meinem Upas-Baum.«
Jack: Woher stammt es, ich habe es vergessen?
Ed: Ich glaube aus Palace of Love.
Jack: Ich glaube, Sie haben Recht.
Jeremy: Haben Sie über Dichtung im Allgemeinen etwas zu sagen?
Jack: Nicht im Allgemeinen. Ich bin kein großer Anhänger von Dichtung. Ich mag:
Clay lies still, but blood’s a rover;
Breath’s a ware that will not keep.
Up, lad: when the journey’s over
There’ll be time enough to sleep.
Ed: Das ist von A.E. Housman.
Jack: A.E. Housman! "A Shropshire Lad". Das einzig Dumme ist nur, dass es so morbid ist, so depressiv über seine Beschäftigung mit dem Tod zu lesen, wo junge Leute sterben. Weshalb ist es notwendig so verdammt mutlos zu sein? Aber ich glaube, es sind die schönsten Reimpaare in der englischen Sprache. Ich glaube nicht, dass jemand etwas Besseres schreiben kann.
Einige dieser kleinen kürzeren Reimpaare und Limericks sind wahre Kunstwerke. Ein Limerick, den ich liebe ist:
A curious family is Stein:
There’s Gertrude, there’s Ep and there’s Ein;
Gert’s poems are bunk
Ep’s sculptures are junk
And nobody understands Ein!
Noch ein guter ist:
Hurrah for Madam Lupescu,
Who came to Romania’s rescue:
“It’s a wonderful thing
To be under a King!
Is democracy better, I esk you?
Die Engländer sind Meister beim Schreiben dieser Limericks, sie sind so gottverdammt gut darin!
Tag 2: Sonntag der 3. August 2003
Chris: Worin bestand für Sie der Unterschied auf Papier zu schreiben und später am Computer?
Jack: Viele Jahre lang habe ich mit der Hand geschrieben, dann bin ich auf Schreibmaschine gewechselt und direkt zum Computer, aber zu meiner Verwunderung habe ich überhaupt keinen Unterschied gemerkt. Ich glaube, der ganze Prozess findet in meinem Kopf statt und die Methode, es zu Papier zu bringen, ist Nebensache.
Jetzt bemerke ich einen Unterschied, seit mein Augenlicht erloschen ist – es ist schwer zu erklären, aber vorher konnte ich die Seite auf- und ablesen und mir so ein Gefühl für den Fluss des Materials verschaffen; jetzt, mit erloschenem Augenlicht, muss ich zuhören; ich habe eine Lautsprecherbox, Sprach-Hardware, die mir den Text vorliest, und muss versuchen den Fluss aus dieser vorlesenden Stimme zu entnehmen. Es ist weitaus langsamer. Ich muss vor- und zurückgehen und sicherstellen, dass es nicht nur ein Wirrwarr unzusammenhängender Sätze ist.
Jedenfalls murre ich nicht allzu viel. Nur ein wenig.
John V: Lasst mich hier einwerfen, dass Dad das Schreiben heutzutage mörderisch schwer fällt, es ist wirklich ein fürchterlicher Prozess. Nicht mehr sehen zu können hat sich – wie man sich vorstellen kann – als bedeutendes Handicap erwiesen.
Jack: Tja, ich tue lieber das, als, von Piraten umgeben, ins Rote Meer geschmissen zu werden.
Chris: Einer der Gründe, weshalb ich danach gefragt habe, ist, dass die Datei, mit der ich gearbeitet habe, natürlich sehr sauber war. Sie und Norma und vielleicht einige andere sind sie durchgegangen – und das hat mich dazu gebracht darüber nachzudenken, wie ich jetzt schreibe, verglichen damit, wie ich auf Papier geschrieben habe. Ich finde es interessant, dass es für Ihren kreativen Prozess keinen richtigen Unterschied macht.
Jack: Nein, es scheint so – außer, wie ich sage, dass der Prozess sich geändert hat, seit mein Augenlicht erloschen ist; ich muss es über meine Ohren machen und einen oder zwei Sätze vor- oder zurückgehen. Wenn ich richtig verwegen bin, gehe ich mehrere Sätze zurück …
Chris: Wie akzentuiert ist die Stimme? Ist sie schwer zu verstehen?
Jack: Nein, nicht für mich.
John V: Dad ist daran gewöhnt, aber es ist eine ziemlich eigentümliche Roboterstimme.
Chris: Ich habe mich gefragt, ob der potenzielle Wohlklang einiger Sätze durch diese »Sprachbox« nicht gut herauskommt.
Jack: Nein, es ist in Ordnung. Keine Beschwerden, lasst es mich so sagen. Mir macht es nichts, eigentlich mag ich diesen Schlingel sogar irgendwie.
Chris: Ich bin froh, dass es eine Möglichkeit gibt, dass Sie weiterschreiben können!
Jack: Tja, eigentlich habe ich mich halb zur Ruhe gesetzt. Ich betrachte mich nicht mehr als aktiven Schriftsteller, aber ich habe nichts anderes zu tun – außer, oh, einige Sachen mit meinen Aufnahmen und Musik. Also schreibe ich einfach mehr oder weniger aus eigener Kraft heraus, aber ich hoffe, ich bekomme dieses Buch fertig.
Chris: Wir auch! Und danke für Ihre Antwort, es ist sehr interessant Ihre Kommentare zu hören.
Jack: Tja, ich hoffe es; für mich hört es sich nicht sehr interessant an.
John V: Dad verwendet einen uralt 386er DOS-Rechner mit einer alten abgeleiteten WordStar-Software; er benutzt keine Maus, wenn man also sagt »cut-and-paste«, heißt das in Dads Sprache, dass er einen »Block liest« und einen »Block schreibt«. Es ist ein ziemlich veralteter Prozess.
Jack: Ein Freund namens Kim Kokkonen hat das Programm für mich ausgearbeitet, es heißt »Big Ed« – Big Editor. Als ich noch sehen konnte, konnte ich mir Buchstaben von verschiedener Größe auf den Bildschirm holen – und durch diese Methode war ich einige Jahre lang in der Lage »meine Arbeit zu sehen«. Aber schließlich hat der Augenarzt seine Rache an mir bekommen und ich kann nichts mehr sehen. Jetzt hat Big Ed nicht mehr diese Bedeutung.
Damien: Jack, als Erstes möchte ich mich für die Stunden der Unterhaltung bedanken, die ich gehabt habe und hoffentlich noch haben werde.
Jack: Ich hoffe, Sie haben die Bücher gekauft und sie nicht einfach in der öffentlichen Bibliothek ausgeliehen.
Damien: Eigentlich habe ich sie meinem Dad geklaut.
Jack: Wissen Sie, wenn man sich in Dänemark ein Buch aus der Bibliothek holt, bezahlt man eine Gebühr, die an den Schriftsteller geht. Ich glaube in England ist es genauso. Aber hier in den Staaten wird der Schriftsteller abgezockt. Die Leute gehen zur Bibliothek, nehmen Bücher mit und der Schriftsteller bekommt ihr-wisst-schon-was dafür. Die Musikervereinigung hat arrangiert, dass jedes Mal, wenn ein Stück im Radio gespielt wird, Tantiemen oder was auch immer an den Künstler oder Komponisten abgeführt werden. Ich glaube, es gibt eine ähnliche Anstrengung für Autoren, dass der Schriftsteller jedes Mal, wenn ein Buch ausgeliehen wird, einen Anteil erhält. Eigentlich muss es nicht allzu viel sein, nur einen Cent pro Exemplar oder etwas in der Art – aber es würde sich summieren. So, wie es jetzt ist, schreibt man ein Buch und man verkauft tausend Exemplare, wenn man Glück hat, aber die Dinger in der Bibliothek werden hunderttausend Mal gelesen und man bekommt ihr-wisst-schon-was dafür. Ich murre nicht allzu viel darüber, aber ich möchte, dass ihr wisst, dass das nicht wirklich richtig ist.
Damien: Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht, aber Sie haben Recht, das hört sich ganz und gar nicht fair an. Aber eigentlich kaufe ich Bücher auch.
Jack: Oh, ich habe nur Spaß gemacht … Aber ich glaube in Dänemark – bei England bin ich mir nicht sicher – und möglicherweise in anderen skandinavischen Ländern und vielleicht Deutschland haben sie diese geringe Gebühr.
Damien: Ich würde gern die Frage, die Chris gestellt hat, aufgreifen. Ich bin sicher, Sie ist Ihnen schon viele Male gestellt worden, aber angesichts der Bedingungen, unter denen Sie arbeiten müssen, was veranlasst Sie überhaupt noch zu schreiben?
Jack: Tja, ich schreibe schon seit einer schrecklich langen Zeit und wenn ich es nicht tun würde, hätte ich nicht viel anderes, außer herumzusitzen. Ich habe eine Menge Aufnahmen, alten, traditionellen Jazz' – ist irgendjemand von euch traditioneller Jazz-Typ?
Chris: Ich habe Spaß daran, kann aber nicht sagen, dass meine Sammlung groß ist.
Jack: Tja, ich weiß nicht, wie viele Aufnahmen ich habe, aber es muss in die Tausende gehen. Es verteilt sich auf CD, Platten und Kassetten und damit habe ich ein gewaltiges Projekt im Versuch, alles zu organisieren und auf CD zu bringen, katalogisieren – es ist eine zwecklose Aufgabe, es nutzt niemandem etwas, außer vielleicht John oder meinem Enkel – aber es ist eine Aufgabe. Also habe ich neben dieser speziellen Aufgabe nichts anderes zu tun. Oh, ich lese natürlich viel, diese Kassetten. Aber trotzdem werde ich unruhig oder nervös, wenn ich kein Projekt habe, an dem ich schreiben kann, um sozusagen meinen Geist zu beschäftigen.
John V: Dad, was war in den alten Tagen, als du dir den Lebensunterhalt als Zimmermann verdient hast?
Jack: Tja, was soll damit sein?
John V: Was hat dich dazu gebracht zu schreiben, statt Nägel zu klopfen?
Jack: Brauchst du darauf wirklich eine Antwort, John?
John V: Ich glaube, ich kenne die Antwort!
Damien: Ich wüsste die Antwort gerne!
Jack: Tja, in den frühen Tagen war ich für eine Weile Seemann; dann habe ich geheiratet und natürlich mit der Schifffahrt aufgehört. Ich musste eine Art Job finden, die mich über Wasser hielt, bis ich den Lebensunterhalt mit Schreiben verdienen konnte (ich habe an Bord geschrieben). Ein Freund von mir sagte: »Weshalb gehst du nicht als Zimmermann in die Lehre? Man wird zwar nicht gut bezahlt und man muss vier Jahre lernen – das geht einem ziemlich auf den Geist –, aber man kann sich trotzdem damit über Wasser halten. Ich bin Lehrling und es ist sehr schwer – sie drehen dich richtig durch die Mangel, lassen dich hier- und dorthin rennen –, aber schließlich ist es ein ehrenhaftes Leben.« »In Ordnung, Sam«, – sein Name war Sam – er nahm mich mit zur Zimmermannsinnung und der Kerl am Schreibtisch schaute mich an und sagte: »In Ordnung, ich stelle dir ein paar Fragen. Wie sind die Abmessungen eines Sägeblocks?« Ich sagte: »Oh, etwas so und so.« Er sagte: »Weshalb werden Pfosten in Abständen von 40cm gesetzt?« Ich dachte etwas darüber nach und sagte: »Tja, das muss so sein, damit sie einen Meter zwanzig Platten Sperrholz halten können, ohne dass diese überlappen.« Und die dritte Frage – ich habe vergessen welche –, ich glaube er hat mich gefragt, welches Ende des Nagels eingeschlagen wird. »Tja, mir scheint es praktisch zu sein, die Spitze zuerst einzuschlagen, weil der Kopf eine größere Oberfläche bietet, um darauf zu schlagen.« »In Ordnung«, – er schrieb mir einen Zettel – »hier nimm; geh nach drüben und sie geben dir einen Job.« Und er machte mich zum Zimmermannsgesellen! Mein Freund, Sam Wainwright, war in seinem vierjährigen Ausbildungsprogramm gefangen und ich marschierte mit einem Job als Zimmermannsgeselle hinaus, mit dem Dreifachen, was er verdiente. Wie seine Kinnlade heruntergefallen ist! »Jesus Christus, was zur Hölle geht hier vor?«
John V: Das Bauwesen im Buchtgebiet hat im Jahr darauf gelitten …
Jack: Tja, ich habe schnell gelernt. Bei meinem ersten Job bin ich nach ein oder zwei Stunden gefeuert worden. Der zweite dauerte schon ein paar Stunden und der dritte … jedenfalls, nachdem ich bei einigen Jobs gefeuert worden war, war es nicht mehr so schwer. Ich bin letzten Endes ein recht ordentlichen Zimmermann geworden. Und ich bin wirklich dankbar dafür, diese Möglichkeit Zimmermann zu sein, bekommen zu haben, weil es mir sehr nützlich war, als wir in dieses Haus gezogen sind. Es war nur ein kleiner Stall, aber mit den Jahren und mit Johns Hilfe, als er alt genug war, habe ich dieses Haus um den alten Stall herum gebaut, in dem wir jetzt wohnen. Ohne die Ausbildung hätte ich es nicht tun können. Mit anderen Worten: Ich bin nicht versessen darauf gewesen Zimmermann zu sein, ich bin irgendwie glücklich darüber, aber ich habe jede Möglichkeit genutzt herauszukommen. Jedes Mal, wenn ich einen Abschluss gemacht hatte und etwas Geld bekam, habe ich die Zimmermannsinnung verlassen und bin mit Norma auf Reisen gegangen. Dann ging das Geld aus und ich musste zurückschleichen und versuchen einen neuen Job zu bekommen. Zu der Zeit waren die Jobs nicht reich gesät und sie versuchten mich draußen zu halten, aber ich schaffte es wieder hineinzukommen. Ich bin bei der Zimmermannsinnung drei oder vier Mal ein- und ausgetreten … das letzte Mal bin ich nicht mehr zurückgekommen; das Einkommen vom Schreiben war ausreichend, dass ich diese unehrenhaften Aufgaben nicht mehr machen musste. Natürlich hat Norma auch gearbeitet, was auch geholfen hat.
John V: War das nicht so etwa um '73 herum?
Jack: Ich habe vergessen, wann das war. Nein, es war früher, glaube ich. Jedenfalls war das mein Leben als Zimmermann.
Damien: Also mochten Sie das Schreiben mehr als die Zimmerei?
Jack: Na sicher! Ich konnte mir die Zeit selbst einteilen, auf einem bequemen Stuhl sitzen, Kaffee trinken, Bier, wenn die Gelegenheit es bot, Norma bitten mir ein hübsches Essen zu bereiten, wenn sie dazu aufgelegt war … offensichtlich ist es viel angenehmer ein Schriftsteller zu sein. Wenn man Zimmermann ist, arbeitet man auf den Hügeln hier in der Umgebung, da ist der Giftsumach und man muss das Material die Hügel hinauf- und hinunterschleppen; man wird es Leid. Es ist Arbeit, harte Arbeit! Man kommt nach Hause und ist müde. Aber wie ich schon sagte, ich habe es nie bereut, war nie verrückt danach – es war okay. Ich habe eine Menge guter Leute getroffen. Ich glaube, aus den Zimmermannstagen sind keine Freunde mehr übrig. Aber ich habe viele Freundschaften geschlossen, mit Zimmerleuten. Sie waren nicht vom gleichen Schlag wie Schriftsteller. Ich wüsste niemanden, der gleichzeitig Zimmermann und Schriftsteller gewesen ist. Es muss natürlich viele gegeben haben.
Aber als ich mit der Zimmerei aufgehört habe, hat sich mein Bekanntenkreis total geändert. Ich habe Poul Anderson kennen gelernt – er war einer der ersten Schriftsteller in meinem Bekanntenkreis – und wir sind gute Freunde geblieben, bis zu seinem Tod, was, wie ich finde, ein großer Verlust war. Poul war einer der feinsten Menschen, die ich je gekannt habe, wenn nicht sogar der feinste – tja, Anwesende natürlich ausgenommen. Aber er war ein echter Gentleman – ein wunderbarer Kerl, ich kann nicht genug Nettes über Poul sagen. Er war dänischer Abstammung und seine Mutter hat ihn Dänisch gelehrt … aber ich möchte nicht zu viel von Poul schwärmen. Aber ich vermisse ihn! Ich schätzte, unter den Schriftstellern war er mein bester Freund. Frank Herbert habe ich ziemlich gut gekannt. Anthony Boucher kannte ich recht gut. Er war ein Herausgeber – tja, und auch Schriftsteller: Kriminalromane und sogenannte Sciencefiction. Also … habe ich das Thema erschöpfend behandelt?
Damien: Mehr als das – Sie haben nahezu alle meine Fragen beantwortet! Vielen Dank.
Jack: Bitte schön! Zögert nicht Fragen zu stellen. Es ist sehr angenehm hier zu sitzen und ihr Gentlemen habt es ohne Zweifel auch bequem dort, wo ihr seid. Ich bedaure nur, dass wir nicht alle mit einer Flasche Bier an einem Tisch sitzen, aber vielleicht kommt diese Zeit noch.
Dave: Hi Jack, hier ist Dave Reitsema.
Jack: Hi Dave. Wie geht's?
Dave: Gut geht's, ich bin im Urlaub in West-Michigan – sitze am Ufer von Lake Michigan. Es ist schön.
Jack: Es ist schön. Gibt's Moskitos?
Dave: Oh ja, hier gibt es alle möglichen Arten von Insekten – einige Arten, die noch nicht benannt oder entdeckt worden sind!
Jack: Sie haben eine Hütte im Dorf oder draußen?
Dave: Eine Hütte. Sie säumen das Ufer hier. Meine Frau und ich stammen aus dieser Region, also kommen wir auf Besuch zurück und alle Verwandten kommen heraus und trinken Margaritas und Bier.
Jack: Das hört sich prima an. Seid ihr den ganzen Sommer über dort?
Dave: Nein, wir bleiben gewöhnlich nur eine Woche.
Jack: Von wo? Ich habe vergessen …
Dave: Ich wohne im Südteil von Denver.
Jack: Kokkonen, der Programmierer, den ich erwähnt habe, wohnt in Boulder City, wenn ich mich nicht irre. Ich kenne Denver nicht sehr gut, außer dass das Brown's Palace ein gutes Hotel sein soll.
Dave: Es ist ein wunderbares Hotel und das Broadmoor in Colorado Springs ist sogar noch besser.
Jack: Oh wirklich? Dieses Brown's Palace ist richtig alt, nicht wahr?
Dave: Ja, mindestens 125 Jahre alt, glaube ich.
Jack: Haben Sie es schon einmal besucht?
Dave: Ab und zu esse ich dort, es ist ein guter Ort für Geschäftstermine.
Jack: Ich könnte mir vorstellen, dass man dort wahrscheinlich gut essen kann.
Dave: Ja, aber man muss eine Krawatte tragen.
Jack: Aber ich wette, sie haben wahrscheinlich gute Steaks und dergleichen –
Dave: Das haben sie!
Jack: Tja, es tut mir Leid, aber ich kann Sie zum Abendessen heute dort nicht treffen.
Dave: Ich würde gern mit Ihnen zu Abend essen, irgendwann! …
Die Frage, die mich am meisten interessiert, ist, was Sie über das VIE meinen und ob Sie mit den Fortschritten oder dem bisherigen Ergebnis zufrieden sind.
Jack: Tja, zunächst einmal wäre ich ein ungehobelter Klotz, wenn ich daran etwas auszusetzen hätte, Sie wissen schon, wenn ich mich beschweren würde und sagte: »Was für ein Haufen mieser Typen« – man würde denken, ich wäre verrückt. Nein – offenbar finde ich nicht das richtige Wort. Ich habe gestern darüber nachgedacht, welches Adjektiv ich verwenden könnte, um das zu beschreiben, was ich über das VIE denke. Ich habe das Wort »Dankbarkeit« verworfen, weil ich es nicht für treffend halte, aber ich bewundere die Arbeit, die ihr geleistet habt. Ich bin wirklich beeindruckt von euch – froh, dass jemand da ist, der es macht. So viel ich weiß bin ich der einzige gegenwärtige Schriftsteller, für den jemand sich diese Mühe gibt so weit zu gehen. Ich bin glücklich darüber – Norma hat das Wort »geehrt« vorgeschlagen –, das kommt dem schon sehr nahe, schätze ich. Also, wenn ich noch mehr schmeicheln soll, könnte ich wahrscheinlich fortfahren.
John V: Ich denke, das Wort ist »erfreut«!
Jack: Erfreut und geehrt und ich habe es lieber so, als anders, dass mir niemand Aufmerksamkeit schenkt! Ein alter Schurke wie ich und jeder sagt: »Wer ist das?« Nein, statt dessen ist es anders. Jemand sagt: »Jack Vance?« und jetzt gibt es wenigstens einige Leute, die ihren Kopf herumdrehen und nicht auf den Bürgersteig spucken. Also, das ist es – beantwortet das die Frage oder nicht?
Dave: Ich glaube schon; ich muss Ihnen sagen, dass ich froh bin und mich glücklich schätze heute Abend mit Ihnen zu reden und Fragen zu stellen, aber wenn ich mich recht erinnere sind Sie in den Seiten von COSMOPOLIS nicht zu finden.
Jack: Nein, ich möchte mich da heraushalten, ich möchte nicht …
Dave: Das ist in Ordnung, aber es ist nett Sie das sagen zu hören, weil man es in COSMOPOLIS oder anderswo nicht lesen kann.
Jack: Nein, ich glaube nicht, dass es an mir ist, mich in die VIE-Angelegenheiten einzumischen. Ich bin kein Mitglied der Gruppe und es wäre impertinent von mir mich hineinzudrängen. Ich halte mich sehr energisch von der Arbeit fern, die ihr macht, abgesehen davon, dass ich glücklich bin, dass sie getan wird. Noch einmal, ich bewundere eure Arbeit; es sieht aus, als leistetet ihr eine großartige Arbeit. Ich kann die Bücher nicht selbst sehen, aber jeder, der sie hat, bewundert sie ungeheuer.
John V: Hier möchte ich etwas einwerfen. Als Paul mit dieser Idee zuerst an uns herantrat, verbot Dad meiner Mutter und mir mehr oder weniger ausdrücklich uns dort mit hineinziehen zu lassen, weil es einfach Zeit brauchen würde und wir hier eine Menge andere Dinge zu tun haben. Im Grunde genommen wollte Dad, dass wir an anderen Dingen arbeiten.
Jack: Aber glücklicherweise hat es überhaupt keine Zeit von Norma oder John beansprucht. Ha! Es war schlimmer, als ich erwartet hatte! [lacht]
John V: COSMOPOLIS ist ein Nebenprodukt der Hauptarbeit, die vonstatten geht. Insbesondere Mom hat etwas eingebracht, um unsere Wertschätzung gegenüber den Leuten zu zeigen, die am Projekt arbeiten. Aber für Dad gibt es eigentlich keinen Grund vorzutreten und sich an COSMOPOLIS zu beteiligen.
Chris: Waren Sie jemals verstimmt über die Art, wie Herausgeber in der Vergangenheit mit Ihren Texten umgegangen sind, die zur Veröffentlichung standen?
Jack: Oh natürlich! Oh mein Gott, ich möchte mich nicht einmal darüber auslassen, ich könnte einen Herzinfarkt bekommen! Herausgeber haben Sachen mit meinen Werken gemacht, die nicht einmal ein Hund anstellen würde. Sie tun es, ohne auch nur Gewissensbisse zu haben. Wenn ich sie sehe, wenn ich sie überhaupt zu sehen bekomme, haben sie diesen leeren Blick – und wenn ich mich beschwere, tun sie überrascht. »Wir sind da, um Ihnen zu helfen, Mr. Vance, um das, was Sie schreiben, besser zu machen.« In Ordnung! Sie habe einige schreckliche Taten begangen. Alle meine Titel geändert, Titel verwendet, die ich nicht mag. Die halbe Zeit, wenn ich der Geschichte einen Titel gegeben habe, kommt irgendein Mädchen aus Vassar daher und sagt: »Gott, der ist nicht so gut, ich nehme einen anderen Titel.« Und das ist die Art und Weise, in der sie herauskommt. Und was mich mehr als alles andere ärgert ist, dass diese Mädchen aus Vassar diese Jobs als Manuskriptbearbeiterinnen kriegen und was sie haben, ist dieses Exemplar von Fowler’s English Usage neben sich und sie wollen, dass ich mich an Fowler halte! Und ich versuche ihnen zu erklären, dass es ein Gerbrauchsbuch ist! Es ist keine Bibel oder sonst etwas. Sie wollen alle in einer Reihe stehen haben und einen Habacht annehmen lassen, wenn Fowler vorbeimarschiert. Das bringt mich mehr auf als alles andere. »Fowler mag das nicht!« Ihr wisst schon – man sollte ein Komma statt zweier verwenden, sagt Fowler. Fowler kann mir den Buckel herunterrutschen!
Chris: Ist es mehr eine Frage kleiner Dinge der Art, wie Sätze aufgebaut sind?
Jack: Es sind alle möglichen Dinge. Ich bin mehr oder weniger vor den schlimmsten Gräueltaten geschützt, weil ich vieles davon niemals zu Gesicht bekomme. Ihr habt mehr davon zu sehen bekommen als ich. Norma hat viele gesehen und ab und zu erzählt sie mir von diesem und jenem und ich bitte sie nicht weiter zu erzählen, weil meine Verdauung dann nicht mehr so gut ist.
Chris: Dann sollten wir zur nächsten Frage übergehen!
Jack: Jedenfalls geht es mir nicht allein so; alle, die ich kenne, sind böse auf die Herausgeber, nicht nur ich. Außer vielleicht Dylan Thomas oder John Masefield oder … tja, egal, machen wir weiter.
John S: Jetzt, wo Lurulu vollendet ist, was machen Sie nun?
Jack: Tja, ich werde es euch sagen, ich wusste, dass diese Frage gestellt würde und ich möchte nicht in die Details der Geschichte gehen oder gar den Titel nennen, aber ich sage, wie es dazu gekommen ist. Als ich Ports of Call schrieb, endete das in einem langen Buch, ich hatte aber immer noch eine Menge Material, das ich verwenden wollte. Also sagte ich frei heraus und ganz unkonventionell: »Ladies und Gentlemen, ich muss die Geschichte hier enden lassen und mit dem nächsten Band fortführen.« Und so habe ich Ports of Call abgeschlossen. Aber ich habe das übrige Material in Lurulu verwendet. Jetzt habe ich diese Geschichte beendet und habe keinerlei Impuls eine weitere Fortsetzung zu schreiben, aber ich finde, ich habe immer noch etwas Material – über Orte, Häfen und Gesellschaften –, die ich aus dem ein oder anderen Grund weder für Ports of Call noch für Lurulu verwendet habe, aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht aufzählen möchte – tja, ich kann sagen, dass einige dieser Orte so unheimlich sind, so grotesk, dass ich meinen Lesern keinen Schrecken einjagen will – also verwende ich jetzt einiges von diesem Material für das neue Buch, das ich schreibe. Vielleicht brauche ich alles davon, vielleicht nichts. Es ist ein anderes Werk als Ports of Call oder Lurulu, das im Grunde genommen eine einzelne Erzählung bildet. Ist das mehr oder weniger das, was ihr wissen wolltet?
John S: Ich denke schon. Ich kann mich nicht erinnern, ob dies schon einmal gefragt wurde; ich weiß, dass Sie und Norma viel gereist sind – in welchem Maße finden sich Ihre Reisen und die Leute, die Sie getroffen haben in Ihren Geschichten wieder?
Jack: Überhaupt nicht. Tja, lasst es mich so sagen: Ich bin mir dessen nicht bewusst, aber ich nehme an, ganz egal, was man im Leben macht, ob man reist oder nicht reist oder einfach nur Leute trifft oder als Zimmermann arbeitet oder als Radioansager, all diese Lebenserfahrungen gehen ins Unterbewusstsein ein und wenn man anfängt zu schreiben, ruft man diese Dinge ab ohne großartig darüber nachzudenken. Also nehme ich an, dass alle Leute, die ich getroffen habe, sei es hier in den Staaten oder sonst wo, vielleicht verwendet habe, um mir bei den Geschichten zu helfen. Ich habe einige Kriminalromane geschrieben und als Hintergründe Marokko, den Pazifischen Ozean und Positano in Italien verwendet und einen Frachter, auf dem Norma und ich von San Franzisko nach Spanien gefahren sind – ich habe ihn als Hintergrund für eine Geschichte verwendet – Kriminalgeschichten. Aber bei dem anderen Material sind die Hintergründe viel künstlicher – nebenbei bemerkt, ich hasse das Wort »Sciencefiction«, ich hasse einfach es zu benutzen – es lässt mich an Star Trek denken und die Heranwachsenden, die … tja, ich will nicht weiter davon sprechen. Der letzte Film, den ich gesehen habe, war Star Wars und das, weil ich Freikarten dafür bekommen habe. Wie sich herausgestellt hat, mochte ich ihn, ich hatte eine Menge Spaß. Ich habe alles daran gemocht – außer, als sich der Held mit dem Bösewicht duelliert, mit Lichtschwertern, was ich für ziemlichen Mumpitz gehalten habe. Jedenfalls halte ich mich vom sogenannten Gebiet der »Sciencefiction« fern. Jedem, der mich fragt, was ich schreibe, sage ich: »Oh, Abenteuergeschichten, Sozialdarwinismus« – ich gebe einfach eine phantasievolle Antwort, niemand weiß, worüber ich eigentlich rede. Ich nehme an, ich sollte nicht so verdammt empfindlich sein oder eitel oder was immer es ist. Ich sollte den Stier bei den Hörnern packen und sagen: »In Ordnung, Vance, alle denken, du bist ein Sciencefiction-Schriftsteller, du kannst es genauso gut akzeptieren.« Das wäre wahrscheinlich das Vernünftigste. Aber meine Eitelkeit ist, dass ich einfach nicht im gleichen sinkenden Boot sitzen will, wie Star Trek.
John S: Schon klar und ich werde mich auf Ihr Werk nicht als »Sciencefiction« beziehen.
Jack: Okay, obwohl ich mich eigentlich nicht zu sehr darüber aufrege – ich mag es nur einfach nicht.
Das erinnert mich an die Zeit, als die Regierung Mexikos mich und Theodore Sturgeon nach Mexiko City geholt hat und uns, zusammen mit Italo Calvino und einem mexikanischen Kommunisten, an einer Radio-Talkshow teilnehmen ließ. Ich habe zu der Zeit nicht viel darüber nachgedacht, aber jeder dieser Leute hatte eine völlig andere Vorstellung von dem Gebiet der »Sciencefiction«. Sturgeon und ich waren etwas näher beieinander, aber zum Beispiel hatte Calvino die Vorstellung, dass das Gebiet aus der Ikarus-Legende entstanden sei, dass es eine Fortführung der griechischen Mythologie wäre; der Kommunist dachte, es wäre alles Sozialpropaganda, dass sich die gesamte Sciencefiction der egalitären Revolte der Massen widmen sollte und dies der einzige Grund ist sie zu schreiben. Ich habe vergessen, was Sturgeons Vorstellung gewesen ist, meine Vorstellung jedenfalls war sie einfach nur zum Zwecke der Unterhaltung zu verwenden!
Damien: Wenn Sie die Wahl hätten, wessen Werk, das – aus Mangel an einem besseren Wort – unter der gleichen Behandlung wie Ihres »gelitten« hat, würden Sie gern als VIE sehen?
Jack: Tja, ich schätze Poul Anderson käme mir in den Sinn. Natürlich ist er jetzt tot und kann es nicht mehr wertschätzen, aber er hätte sicherlich seine Freude daran, wenn sein Werk in dieser Form bearbeitet würde. Es mag noch einige geben, deren Werk ich bewundere. Aber wie ich schon sagte, ich bin kein Experte auf diesem Gebiet.
Damien: Nun, ich würde Sie nicht nut auf Sciencefiction beschränken wollen –
Jack: Oh, tja, um Himmels Willen, ich lese viele Kriminalromane, Spannungsromane und es gibt einige Autoren, die ich sehr bewundere. Es gibt eine Dame namens M.C. Beaton. Kennt irgendjemand sie?
Dave: Ich liebe sie; sie ist eine wunderbare Schriftstellerin.
Jack: Sie ist meine Lieblingsschriftstellerin; sie ist großartig. Besser kann man es nicht machen. Ihre Geschichten sind mir zur Gewohnheit geworden. Sie hat eine neue veröffentlicht namens Death of a Celebrity; ich lese ihre Sachen immer und immer wieder. Es gibt noch andere gute Schriftsteller – gewöhnlich halte ich John MacDonald für einen wirklich guten, dann macht mich wieder seine Ansicht krank und ärgerlich, dass er in jedem seiner Bücher eine große erotische Aktivität hineinbringen muss, uns sie sind alle gleich, es gibt eine Formel, die er verwendet hat. Aber wenn diese erotischen Aktivitäten nicht in den Büchern wären, wären sie großartig. Er ist ein intelligenter Mann und er hat ein Auge für alle möglichen wundervollen Dinge, aber all dieses Gerede über wie er sein Ding benutzt und die Damen, die er flach gelegt hat, es wird einfach so gottverdammt langweilig und jetzt kann ich ihn nicht mehr ausstehen, ich lese ihn nicht mehr. Aber lasst mich nachdenken, jetzt … jetzt Agatha Christie und Earl [Stanley] Gardner, diese alten Schlachtrosse, für sie habe ich eine Vorliebe und genieße es sie zu lesen.
Ich mag englische Geschichten lieber als amerikanische. Oh und Norma hat gerade Arthur Upfield erwähnt, einen Australier; ist jemand mit seinen Büchern vertraut? Wenn nicht, dann geht nicht, sondern rennt zur nächsten Bibliothek und holt euch Arthur Upfield.
Damien: Zur Bibliothek, wie?
Jack: Das muss man. Upfield ist nach Australien gegangen, von England, als Reporter. Seine frühen Sachen sind schrecklich, aber je mehr er schrieb, desto besser wurde er und seine späteren Sachen sind einfach gewaltig. Und man lernt mehr über Australien, wenn man Arthur Upfield liest, als auf anderem Wege. Es gibt eine Frau namens Deborah Crombie, die ist eine gute Schriftstellerin – und Ruth Rendell, aber oft machen ihre Sachen sehr depressiv und ich lese keine Krimis, um mich depressiv zu fühlen, um mich im Weltschmerz zu ergehen. Manchmal fühlt sie sich veranlass alle Register der Tragödie zu ziehen und den Leuten schlimme Dinge zustoßen zu lassen – die Babies sind alle tot und die Damen kriegen Lepra … Aber wenn ihre Sachen nicht so sind, kann ich sie empfehlen – sie ist eine verdammt gute Schriftstellerin.
Irgendwie mag ich die Sachen von Martha Grimes, obwohl mitunter finde ich sie versucht zu niedlich zu sein, zu kokett; trotzdem, ich finde sie unterhaltend. Noch einmal, ich rede immer noch über Kriminalromane, an denen ihr nicht besonders interessiert seid.
Dave: Sie haben angefangen für die Pulp-Magazine zu schreiben und haben dann Krimis geschrieben …
Jack: Ich habe versucht ehrliches Geld zu verdienen.
Dave: Und dann haben Sie sich wieder auf Ihre gegenwärtigen Werke zurückbewegt?
Jack: Eine Sache der Ökonomie. Diese frühen Geschichten, ich habe versucht etwas zu schreiben, was sich verkaufen würde. Ich habe versucht an John Campbell zu verkaufen und hatte Glück bei ihm, wenn ich etwas finden konnte, was mit dem Paranormalen zu tun hatte: Telepathie, Telekinese, Vorhersagen … Poul hat mir einmal erzählt, er wäre in Campbells Hinterhof gewesen und Campbell hätte ihm einen verbogenen Drahtkleiderbügel gegeben und ihm gesagt, er solle über den Hinterhof gehen und Poul sagte, der Kleiderbügel schlug jedes Mal aus, wenn er darüber herging und John hätte sagte: »Tja, dort verlaufen die Rohre; du bist ein guter Wünschelrutengänger.« Das war die Art von Dingen, die Campbell interessierten. Also gebe ich zu, dass ich daraus einen Vorteil schöpfte – ich wusste, ich konnte ihm eine Geschichte verkaufen, solange ich nur etwas Paranormales hereinpackte. Dann habe ich angefangen Krimis zu schreiben – zunächst einmal, weil ich sie mochte –, aber damit war kein Geld zu verdienen, also schrieb ich wieder sogenannte Sciencefiction und kehrte nicht mehr zum Krimi zurück.
Chris: Ich frage mich, woher Ihr umfangreiches Vokabular stammt – es gibt Worte, die Sie verwenden, die in keinem Standard-Thesaurus zu finden sind, also werde ich die Antwort, dass Sie einfach im Thesaurus nachschlagen nicht akzeptieren.
Jack: Ich war eines dieser Kinder, die einen wunderbaren IQ hatten. Ich konnte schon sehr früh lesen und war nicht gesellig, nicht so sehr, weil ich es nicht wollte, sondern weil die anderen Kinder mich nicht besonders mochten. Jedenfalls habe ich alles Mögliche gelesen – Wissenschaft, Geschichte, Kunst, Musik, alles. Im Alter von zehn – denkt daran, ich war sehr arrogant und eitel – dachte ich, dass ich eine bessere Ausbildung hatte, als die meisten Leute, mit denen ich in Kontakt kam. Eigentlich hatte ich sogar wahrscheinlich Recht damit! Aber niemand wollte, dass ihm ein Winzling erzählt, wie dumm er ist.
Als ich die High School verlassen hatte, entschloss ich mich zu ändern. Ich wollte kein Ästhet und Bücherwurm mehr sein, ich wollte ein Mann werden, sozusagen. Also zog ich nach der High School für fünf Jahre aus und nahm alle Möglichen Arbeiten an – körperliche Arbeiten. Ich habe natürlich eine Menge Obst gepflückt. Ich habe unheimlich viel gelernt. Ich habe einen Job bei einem Minenausrüster oben in den Sierras bekommen, als Hilfsarbeiter. Ich habe dort alles Mögliche gelernt, ich will das nicht weiter ausführen. Aber ich habe genug über Elektrik gelernt, dass ich später die Navy hereinlegen konnte, indem ich sie im Glauben ließ, ich sei Elektriker. Sie schickten mich nach Pearl Habor, als Gehilfe eines Elektrikers. Ich war drei oder vier Monate lang dort. Ich war ziemlich verärgert über die Navy – man behandelte uns einfach nicht gut – und kam zurück in die Staaten, einen Monat, bevor die Japaner diesen Ort trafen. Aber ich bin dorthin gekommen, wegen dem, was ich während meiner Zeit bei Western Knapp Engineering gelernt hatte.
John V: Was ist mit rigging, Dad?
Jack: Oh, rigging. Oben in den Bergen habe ich rigging gelernt, von Anfang bis Ende: hatte mit rigging zu tun, mit Riggern und habe die Rigger-Mentalität bewundert, was ich immer noch tue. Ich glaube rigging ist eine Handwerkskunst … tja, man hört nicht viel von einem Rigger. Tatsächlich habe ich später, nachdem ich von Hawaii zurück war, einen Job als Rigger bei Kaiser bekommen, Schiffe gemacht. Ich war ein ziemlich guter Rigger, wurde sogar das, was sie einen Quarterman nennen, was heißt, dass ich sechs Rigs unter mir hatte.
Jedenfalls habe ich das alles bei Western Knapp gelernt; es war eine wertvolle Erfahrung. Ich war nicht länger ein belesenes Wiesel, ich war ein menschliches Wesen. Ich habe mich mein ganzes Leben über weiterentwickelt; ich glaube, beinahe jeder entwickelt sich mit den Jahren, wenn man nur etwas Verstand hat. Man sieht, wo man Fehler gemacht hat und wenn man nur ein wenig Willen hat, arrangiert man die Dinge so, dass man nicht zum Verbrecher wird.
Oh – wo ich mein Vokabular her habe! Tja, ich habe mein Vokabular aus meiner frühen Lektüre. Einmal, bevor ich zu Western Knapp gegangen bin, hatte ich einen Job als Gehilfe eines Vermessers. Das hieß, ich trug die Stange, haute Pfähle ein und so weiter, mir machte es nichts aus. Aber er war ein ziemlich kluger Typ und ich dachte, ich wüsste alles. Ich erzählte ihm – ich weiß nicht mehr, wie das Thema aufkam – aber ich erzählte ihm, dass Elektrizität der Fluss von Elektronen wäre. Er sah mich verächtlich an und sagte: »Du bist verrückt, du hast keine Ahnung, wovon du redest.« Ich sagte: »Nein, nein, das ist, was Elektrizität ist, es ist wohlbekannt.« Und er sagte: »Ah bah, das ist nur das, was sie euch High-School-Kindern beibringen.« Und natürlich hatte er Recht. Elektrizität wird mit der Bewegung von Elektronen assoziiert, aber Wissenschaftler reden heute mehr von der elektrischen Ladung, die von den Elektronen transportiert wird.
Jedenfalls habe ich daher mein Wissen, alles wegen einer irrtümlichen Vorstellung, was ein elektrischer Strom ist. Ich habe durch Lesen ein recht gutes Vokabular entwickelt.
Damien: Ich habe die letzte Zeit viel mit Ihren Werken verbracht und festgestellt, dass Das Buch der Träume in einigen Ihrer Geschichten auftaucht. Ich habe mich gefragt, ob es etwas ist, was Ihnen einfach eingefallen ist oder …?
Jack: Nein, ich hatte nie ein Buch der Träume, aber es schien mir eine gute Idee für Howard Alan Treesong eines zu haben.
Er hatte dieses Symbol, von dem er dachte, es besäße mystische Kraft. Dieses besondere Symbol habe ich selbst entwickelt, vor langer Zeit. Es gibt ein Buch von Rockwell Kent namens North By East, in dem diese wunderbaren Holzschnitte sind, einige von ihnen zeigen ein an der Küste von Grönland havariertes Boot. Einige dieser Holzschnitte zeigen menschliche Wesen, die in einer idealen Weise durch das All fliegen. Ich dachte: »Wie kann man dieses Gefühl auf einfachste Art ausdrücken, indem man zwei gekrümmte Linien verwendet.« Also habe ich experimentiert, habe viel damit herumgespielt, sodass die Linien etwas komplizierter wurden und habe dieses Symbol in Das Buch der Träume verwendet. Das Buch wurde zuerst von DAW veröffentlicht; ich hatte das Symbol verwendet und sie haben es natürlich umgekehrt gedruckt – ich stand kurz vor einem Herzinfarkt! Ganz dumme Sache! Diese schöne Symbol, das all diesen großartigen dynamischen Schub verkörperte – und das verdammte Ding umgekehrt gedruckt! Wie konnte jemand so gottverdammt dumm sein? Es sah aus, wie ich oft gesagt habe, wie eine tote Robbe am Strand!
Aber ob ich ein Buch der Träume habe? Nicht wirklich, nein.
Dave: Ich glaube, Sie möchten vielleicht vermeiden, als ein bestimmter Typ Schriftsteller charakterisiert zu werden und ich bin neugierig, ob Sie sich – und ich möchte nicht, dass Sie bescheiden sind – als kreative Person, die in ihrem eigenen Stil schreibt, betrachten.
Jack: Oh ja, definitiv. Nicht nur ich, ich glaube, alle Schriftsteller haben dieses Gefühl.
Dave: Glauben Sie, dass jemand Sie beeinflusst hat? Sind Sie ein Handwerker, der die Arbeit von jemand Besonderem verfeinert?
Jack: Tja, ja und nein. Als ich klein war, habe ich ein Magazin namens Weird Tales gelesen. Es war voll von allen möglichen guten Sachen und ich wurde von den erstaunlichen Geschichten beeinflusst, die ich dort fand. Das war damals in den '20ern. Und Lord Dunsany hatte einen Einfluss auf mich, als ich jung war. Jetzt hat er ihn nicht mehr, ich glaube er ist ein bisschen zu eingebildet, um die Wahrheit zu sagen, ein bisschen zu charmant. Aber als ich ihn als Kind gelesen habe, war ich sehr beeindruckt. Dann darf ich natürlich P.G. Wodehouse nicht auslassen, den ich enorm bewundere. Ich glaube, er war ein großer Schriftsteller, zumindest vor dem Krieg. Jeffrey Farnol habe ich verschiedene Male erwähnt, er hat Abenteuergeschichten geschrieben, Engländer, während der 20er. Ich habe Sherlock Holmes gemocht. Puh, ich habe so viel gelesen, ich kann mich nicht mehr an alles erinnern …
Dave: Aber Sie würden nicht sagen, dass Sie jemanden bewusst –
Jack: Kopiert habe? Keineswegs. Ich bin beeinflusst worden, in dem Sinne, dass: »Oh, das hört sich wie eine gute Idee an, ich versuche etwas Ähnliches zu benutzen.« Aber noch einmal, wie ich schon sagte, jeder, der schon einmal geschrieben hat, nutzt das, was er gelesen hat, als seinen Einfluss; aber ich glaube nicht, dass es eine Sache des sklavischen Kopieren von jemandes Stil oder Haltung oder etwas in der Art ist. Wodehouse bewundere, verehre ich einfach nur. Er hat für sich eine Grabinschrift angefertigt: »Der hier liegt war ein Arbeiter.« Und das war er … es ist ihm nicht einfach zugefallen, er hat hart daran gearbeitet. Wenn man es liest, fliest es so unschuldig und gleichmäßig, aber er war ein Arbeiter, er hat sehr hart daran gearbeitet.
Chris: Wo wir vom Handwerk des Schreibens sprechen, ich habe gehört, dass Sie eine Geschichte mit einer Art »Stimmung« anfangen, die Sie versuchen zu schaffen und überzubringen. Schaffen Sie dann auch Charaktere, die zu der Stimmung passen?
Jack: Ich habe diese Methode zuletzt nicht so viel genutzt, aber, oh, vielleicht vor zwanzig oder dreißig Jahren, hatte ich, bevor ich eine neue Idee angefangen habe, eine Stimmung, ein gewisses Gefühl. Dann habe ich eine Handlung zusammengekratzt und – die Charaktere nicht absichtlich geformt, um zur Stimmung zu passen –, aber die Geschichte um diese Stimmung herum ausgearbeitet, ohne zu pingelig damit zu werden. Mit anderen Worten: Ich habe die Stimmung vergessen, sobald ich die Geschichte angefangen hatte, auch wenn die Stimmung blieb, nehme ich an … besonders bei den Tschai-Büchern; ich habe sie mit einer Stimmung über den Planeten angefangen.
Aber es gab keine bewährte Methode: Es war einfach »probier dies« und »arbeite es aus«. Ich habe keine Methode, wirklich, ich arbeite so, wie es mir im Augenblick gut erscheint. Aber ja, die Stimmung überkommt mich und ich sage: »Puh, es wäre nett eine Geschichte unter diesen Umständen auszuarbeiten.«
Jack: Hatte die Stimmung, die Sie für die Durdane-Trilogie im Sinn hatten, etwas mit Musik zu tun?
Jack: Ich weiß es nicht, möglicherweise. Könnte sein. Aber wie ich schon sagte, nehmt diese Sache mit der Stimmung nicht zu ernst, weil sie nur eine Art vorübergehende Zutat bei der Arbeit an der Zusammenstellung der Geschichte ist. Sie ist vorhanden, aber keinesfalls der bestimmende Faktor.
1998
Ein von Paul Rhoads und Damien Dhondt angeregtes und am 14. September 1998 geführtes Interview. Veröffentlicht in der '98er Oktoberausgabe des Magazins SLASH Nr. 17 [ein französisches Magazin].
(Aus dem Französischen ins Englische übersetzt von Patrick Dusoulier, am 8. August 2002, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Andreas Irle)
Wenn es ein Sciencefiction-Meister verdient hat, wegen seines literarischen Einfallsreichtums international gepriesen zu werden, ist Jack Vance ganz entschieden einer von ihnen. Man kann sich vorstellen, wie aufgeregt wir waren, als SLASH eine Möglichkeit geboten wurde einen solchen »lebendigen Gott« zu interviewen. Wir möchten uns speziell bei France Ruault bedanken, ohne dessen Hilfe dieses Interview niemals unter solchen Umständen zustande gekommen wäre. Unser Dank gilt ebenfalls Damien, einem wirklichen Profi, der das gesamte Werk Vances wieder und wieder gelesen und den Schriftsteller bis spät in die Nacht studiert hat, wenn der Mond und die Sterne beginnen miteinander zu verschmelzen. Und vielen Dank an Paul Rhoads, einem Freund von Jack Vance, der dem Interview den letzten Anstoß gegeben und einiges von seinem beträchtlichen Wissen beigesteuert hat.
Paul Rhoads hatte Vorbereitungen getroffen, um Jack die Fragen am Telefon zu stellen. Jack Vance erwiderte fröhlich: »Hier bin ich!« Er schien eine kindliche Freude an dem Gedanken zu haben interviewt zu werden und begann die Unterhaltung von sich aus, als wäre es ein Wettlauf oder ein Spiel. »Bist du bereit?« Jack hat eine Tenorstimme, leise und beschwingt. In Kalifornien geboren, kürzt er bestimmte Wörter ab, wie es der örtlichen Sprechweise entspricht (beispielsweise sagt er »'um« satt »them«). Er lacht viel und wechselt, seines überfließenden Geistes wegen, in eine andere Stimmung über. Er lässt mich an einen seiner berühmten Dämonenprinzen denken, Howard Alan Treesong (The Book of Dreams [Das Buch der Träume]), mit seinen vielen Stimmen. Er macht einen im Allgemeinen sanften und verträumten Eindruck, plötzlich gibt er Bombast vor und verbirgt kaum sein Lachen, um einen Witz zu erzählen; beinahe sofort danach imitiert er eine Stimme oder stellt in einem täuschend unschuldigen Ton eine clevere Frage.
Paul Rhoads: Ich bin bereit. Sollen wir anfangen?
Jack Vance: Legen wir los!
Du bist ein begeisterter Reisender und deine Bücher zeigen großes Einfühlungsvermögen, was die Besonderheiten verschiedener Orte angeht. Was, glaubst du, sind die hervorstechendesten Unterschiede zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.
In Europa gibt es einen Sinn für Kontinuität: Europa erstreckt sich in die Vergangenheit. Darüber hinaus gibt es große Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. Das ist es, was ich an Europa mag, man fährt einfach mickrige 200 Kilometer weiter und findet sich in einer radikal anderen Kultur wieder. In den Staaten gibt es mehr Homogenität. Aber das spricht nicht gegen die Vereinigten Staaten: Es ist ein wunderbarer Ort und wir dürfen nicht vergessen, dass er seine eigenen regionalen Unterschiede hat, obwohl sie nicht so groß sind, wie in Europa. Aber ich liebe Amerika… Zugegeben, die regionalen Unterschiede schwinden allmählich, Jahr für Jahr; das Gleiche trifft jetzt, mit der wachsenden Entwicklung der Europäischen Union, auf Europa zu. Aber ich mag das Gefühl eine Grenze zu überschreiten und sich inmitten einer andern Kultur wiederzufinden, sagen wir, zwischen Italien und Frankreich, ich mag das einfach!
Was hältst du von der französischen Sciencefiction?
Ich weiß nichts darüber… Ich halte Jules Vernes nicht für einen Sciencefiction-Autoren. Er ist mehr ein Ingenieur mit einem sehr bodenständigen Schreibstil, ganz ohne Fantasy. Als Kind habe ich verschiedene Male The Mysterious Island [Die geheimnisvolle Insel] gelesen. Ich war richtig begeistert davon!
Und italienische Sciencefiction?
Davon kenne ich nichts… Außer, dass Italo Calvino richtig langweilig ist!
Und Stanislaw Lem?
Ich weiß nicht, wer das ist.
Und Gabriel Garcia Marquez? Er hat geschrieben, was man »Magischen Realismus« nennt.
Wer? Ich kenne nichts von diesem schicken Avantgarde-Zeug.
Wer ist dein liebster Schriftsteller des 20sten Jahrhunderts?
P.G. Wodehouse.
Deine Geschichten handeln nahezu immer in der Zukunft. Dennoch, verglichen mit andern Sciencefiction-Autoren, kümmerst du dich nicht viel um zukünftige Technologie. Und du schreibst auch über zeitgenössische Dinge, wie Umweltbelange. Auf welche Art, würdest du sagen, handeln deine Geschichten von der Zukunft und verdienen sie es wirklich »Sciencefiction« genannt zu werden?
Darüber denke ich nicht nach. Ich erzähle nicht gern von Robotern oder außerirdischen Wesen. Das ist wie mogeln beim Schach. Wenn man will, dass ein Roboter schnell läuft, kurbelt man einfach am Griff und er läuft schnell. Wenn man einen hyperintelligenten außerirdischen Alien haben will, hey presto! ist er hyperintelligent. Ich habe kein Interesse daran. Meine Geschichten handeln von der Entwicklung der Menschheit in verschienen Umgebungen. Ich mag das Wort »Sciencefiction« nicht. Ich mag Geschichten, in denen Leute sich in verschiedenen Umständen wiederfinden und wie die Umgebungen ihre Vorstellungen verändern. Ebenso versuche ich die Charaktere, die nicht im Jahr 25 Millionen AD oder BC leben, meinen Lesern verständlich zu machen! Ich muss einen Charakter schaffen, mit dem sie sich identifizieren können, sodass ihre Reaktionen in dieser oder jener Situation mit denen des Charakters übereinstimmen. Nehmen Sie zum Beispiel einen Bildhauer: Wenn die Kunstakademie ihn bittet eine Statue von einem Mann zu machen und er macht etwas, was aussieht wie großer Haufen Würmer, wie kann man da erwarten, dass die Leute, die sich die Statue ansehen, sich mit ihr identifizieren? Wenn ich über die Menschheit schreibe, suche ich nach einer Verbindung zwischen meinen Lesern und meinen Charakteren.
In den '50er Jahren haben die Sciencefiction-Autoren den Eindruck vermittelt, dass die Menschheit kurz vor der Kolonialisierung anderer Planeten stünde. Dennoch ist dies bisher nicht geschehen. Was denkst du darüber?
Ich verschwende keinen Gedanken daran. Ich muss darauf hinweisen, dass ich es nicht mag ein »Sciencefiction-Autor« genannt zu werden! Mir ist all das Zeug gleichgültig! Ich stehe abseits von allen Trends und Moderichtungen jeglicher Art. Vielleicht hat es Leute gegeben, die wirklich dachten, sie könnten zum Mars gehen und dort leben, aber ich persönlich habe nie daran geglaubt. Es macht keinen Sinn. Um Planeten zu entdecken, die um einen anderen Stern kreisen, muss man mit Lichtgeschwindigkeit reisen, was für die Menschheit unerreichbar ist. Was die Planeten unseres Sonnensystems angeht – sie sind unbewohnbar. Man bräuchte einen atemberaubenden Einsatz von Ressourcen, um dort eine Niederlassung zu errichten, aber man würde einen sehr guten Grund brauchen, um solche Kosten auf sich zu nehmen. All das macht keinen Sinn. Man braucht Lichtgeschwindigkeit für die Geschichten. Außerdem muss man voraussetzen, dass alle Fragen der verschiedenen Biologien gelöst sind, sodass die Leute nicht einfach tot umfallen, wenn sie auf einem der Planeten landen. Es sind einfach Konventionen.
Du schreibst oft über die Kindheit. Du verwendest Kinder als Protagonisten und deine Helden und Schurken haben tragische Kindheiten durchlebt. Hat das einen Bezug zu deinem eigenen Leben oder, wenn nicht, was hat dieses Thema für eine Bedeutung?
Ich weiß nicht… Jedes Leben beginnt mit der Kindheit… Es ist unmöglich eine Person von ihrer Kindheit zu trennen. Ich habe mir diese Frage so nie gestellt. Es hat definitiv nichts mit Autobiografie zu tun. Ich verwende Kindheitserlebnisse, um die Entwicklung meiner Helden zu erklären. Ich lasse zu, dass ihre Vergangenheit und ihre Umgebung sie beeinflussen.
Unter den faszinierendsten Charakteren finden wir deine Kriminellen. Oft sind es Künstler oder sie werden durch künstlerische Impulse angetrieben. Heißt das, dass das Böse eine Quelle der Kreativität ist oder die Kreativität eine Quelle des Bösen?
Nein… Böse Menschen sind interessant, weil… Kenne ich selbst eigentlich böse Menschen? Ich glaube nicht! Ein paar, vielleicht. Es ist leicht über böse Menschen zu schreiben, die keiner kennt! Was ist mit dir, kennst du welche?
… Ja, meinen Nachbarn.
Ha! Es gibt sie, natürlich! Stalin, der Marquis de Sade, Gilles de Rais, Kaiser Tiberius, sie alle können in der Legion der Bösen in den vordersten Reihen paradieren! Was ist das Böse? Es ist die Essenz des Egoismus', der bis ins Extrem reicht und nicht auf die Gefühle anderer Menschen achtet. Wie kann man sich an der Folterung anderer erfreuen? Ich erschaudere einfach bei dem Gedanken daran! Wenn ich daran denke, was Iwan der Schreckliche tun konnte… Es ist zu schrecklich, man kann es nicht begreifen. Auf der anderen Seite ist die Kreativität eine alles verschlingende Leidenschaft. Es kann gut sein, dass die besten Aspekte des Lebens von ihr herrühren. Aber vielleicht tendieren derart inspirierte Menschen dazu die Gefühle anderer Menschen zu ignorieren.
Du behandelst oft politisch empfindliche, kontroverse Themen. Wyst kritisiert den Egalitarismus, während Trullion eine nachgiebige Gesellschaft gutzuheißen scheint. In Cadwal zeigst du das Mittel der Deportation auf, um ein sehr akutes Einwanderungsproblem zu lösen, obwohl deine Bücher Sklaverei ansonsten verurteilen. Wie siedelst du dich selbst an: links oder recht?
Weder noch, ich bin nur ich selbst. Ich bin definitiv nicht links. Und ich bin nicht religiös. Ich bin gegen Egalitarismus, aber ich hoffe, dass jedes menschliche Wesen, das geboren wird, eine Chance hat ein glückliches Leben zu führen. Ich bin gegen Faulheit, Betrug, Diebstahl von seinem besten Freund und all diese gemeinen Dinge, die die Menschen tun! Gleichheit ist eine Krankheit der gegenwärtigen Gesellschaft. Dasselbe gilt für Religion… Aber die Katholische Kirche hat nichts mit Egalitarismus zu tun, sie hat so viel Hierarchie, wie man nur haben kann. Was ich nicht mag, sind Gedanken, die darauf abzielen, dass alle zur selben Musik tanzen. Jeder muss sein eigenes Lied singen… Manchmal muss man einfach sagen: »Hey! Was ist das für ein altes Lied, was du da ständig laut vor dich her singst? Ich kann es nicht mehr ausstehen!«
Stimmt es, dass die französiche Kolonialgeschichte in Algerien The Gray Prince [Die Domänen von Koryphon] inspiriert hat? (1)
Nein, das war eine abstrakte Idee. Ich bin mir einfach bewusst geworden, dass die rechtmäßige Eignerschaft über jedes Stück Land, wie klein auch immer es sein mag – außer in den extrem nördlichen Regionen oder äußerst unbewohnbaren Orten – Ergebnis eines anfänglichen Gewaltaktes ist. Man muss nur weit genug in der Vergangenheit zurück gehen. Die amerikanischen Indianer beklagen sich darüber aus ihrem Land vertrieben worden zu sein, aber sie haben das gleiche vorher mit andern Stämmen gemacht, und so weiter, zurück bis zu den ersten Siedlern, die über die Beringsee gekommen sind.
Und… diese ersten Siedler haben die Tiere vertrieben?
Richtig. Alle Säbelzahntiger sind ausgestorben! Aber das Buch ist nicht eines meiner liebsten. Es ist nicht schlecht, was die Orte betrifft, aber ich habe es nicht ordentlich bis zum Schluss geführt.
The Gray Prince und Cadwal scheinen Kolonialismus gutzuheißen. Ist das richtig?
Ich weiß nicht, was Kolonialismus ist. Heißt es einfach, dass weiter fortgeschrittene Gesellschaften schwächeren ihre Regeln aufzwingen? In Cadwal gibt es Menschen, die eine jungfräuliche Welt finden und sie intakt erhalten wollen. Es ist, als hätte jemand eine Insel und will nicht, dass irgendein Rüpel kommt und alles verschandelt. Kolonialismus ist nur ein Name für das, was alle menschlichen Wesen tun. Die Indo-Europäer haben Griechenland kolonisiert, die Kelten Frankreich. Solche Dinge geschehen! Eine Gesellschaft dominiert die andere und danach kommt es zur Assimilation. Wenn die Leute von Kolonisation reden, meinen sie im Allgemeinen die Art von Dingen, die England und Frankreich während des 19ten Jahrhundert getan haben. Ich sehe nichts Falsches darin. Es ist normal. Manchmal ist es gut, manchmal nicht. Manchmal ist es sogar sehr vorteilhaft! Nimm zum Beispiel Indien. Als ich in Indien war, habe ich ständig gehört: »Oh, wie viel besser war alles mit den Engländern! Zehn Mal besser!« In Nordafrika ist das anders, aber in Dakar und in Marokko sind die Franzosen immer noch! Sie sind nie richtig weg gewesen, obwohl ich bezweifle, dass die Fremdenlegion im Atlas immer noch sehr beliebt ist! Diese Dinge sind so komplex, sie führen zu so vielen Gedanken und Theorien, dass es sehr schwer ist darüber zu urteilen… Manchmal ist es vorteilhaft, manchmal nicht. Ich erinnere mich an ein Bild von einem erbarmungswürdigen kleinen Vietnamesen – er sah wie 5 aus, ganz dürr und runzelig –, der einen enormen Holländer, der 300 Pfund wog, auf dem Rücken trug, um in über einen Fluss zu bringen. Die massigen Hinterbacken des Holländers waren komplett um die Schultern des Vietnamesen geschlungen!… Und dann stelle ich mir vor, dass das auch gut für den Vietnamesen war. Der Holländer muss ihm einen Piaster gegeben haben, um sich eine kleine Schüssel Reis kaufen zu können.
"The Murthe" [Die Murthe] scheint eine Verurteilung des Feminismus' zu sein. Ist das ein richtiger Eindruck?
Nein, keine Verurteilung, sondern einfach eine Satire. Ich bin sehr für die Gleichberechtigung der Frauen. Sie haben das Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Was ich nicht mag, sind all diese mürrischen, griesgrämigen Frauen! Aber das bring mich zum Lachen. Wer war noch diese Frau? Sie war eine Schriftstellerin… Wir waren zusammen mit den Herberts (Frank) unterwegs. Ich ging an ihr vorbei und gab ihr einen kleinen Klaps mit meinem Banjo auf den Hintern – ich weiß nicht mehr in welcher Tonart es gestimmt war –, aber das war alles, es war keine Kränkung beabsichtigt. Dann begannen ihre Lippen zu beben, ihre Augen flammten auf. Sie sagte (Jack nimmt eine tiefe, eindringliche Stimme an): »Tu das nie wieder, Jack!« Ich sagte OK! Ich mag es nicht, wenn die Leute sich zu sehr aufregen. Aber die Frauen haben das Recht zu versuchen ihre Situation zu verbessern. Eines Tages war ich mit einer Gruppe in einem öffentlichen Gebäude. Alle gingen vor mir hinaus und dann kam eine Frau, die nicht von unserer Gruppe war, und ich hielt ihr die Tür auf. Sie sagte zu mir: »Halten Sie die Tür nicht für mich auf!« Also trat ich vor ihr hinaus, hielt die Tür aber immer noch auf, ansonsten wäre sie ihr ins Gesicht geknallt. Doch sie weigerte sich immer noch hindurchzugehen. Sie blickte mir in die Augen und ihre Augen sagten: »Du Bastard!« Sie drehte sich um und ging zurück in das Gebäude!
Französische Kritiker behaupten, dass Thaery von den Vereinigten Staaten inspiriert ist. Was sagst du dazu? (2)
Thaery? Was ist das?
Du weißt das nicht? In Maske: Thaery ist der Staat in Länder aufgeteilt…
Ah, ich weiß… Nein, absolut nicht.
Sklaverei und Besitzanspruch kommen in deinen Werken oft vor. Gibt es da eine Verbindung zur Geschichte der Vereinigten Staaten?
Absolut nicht. Diese Art Dinge kommen von tief im Inneren des menschlichen Wesens. Vielleicht hatten die Neandertaler Sklaven, wer weiß? England hat die Sklaverei im 18ten Jahrhundert abgeschafft, ist das richtig? (3). In Amerika bedurfte es eines Krieges. Die Araber halten immer noch Sklaven, sogar heute noch. Mit den Farmpächtern ist es das Gleiche, es sind nur verschiedene Namen für eine Person, deren Leben von einer anderen abhängt. In Russland gab es Leibeigene. Nein, es hat nichts mit Amerika zu tun, sondern mit der menschlichen Rasse.
Kannst du erklären, warum du für die amerikanische Intervention in Vietnam gewesen bist?
Natürlich. Zu der Zeit hatte der Kommunismus Kraft. Die Kommunisten hatten China übernommen. Mit dem Koreakrieg haben wir sie zurückgedrängt. Mir schien es, sie müssten in einem globalen Maßstab aufgehalten werden. Ich glaubte an die Domino-Theorie (die besagt, dass ein kommunistisches Land seine Nachbarn ebenfalls in den Kommunismus führen würde). Ich glaube immer noch, wir haben unsere Chance vertan. Wenn wir den Krieg wirklich gewollt hätten, hätten wir es richtig tun und sie vernichten müssen, statt uns zurückhaltend zu geben. Das glaube ich auch heute noch. Unser Politik ist schlecht gelenkt gewesen. Was in diesen Tage vor sich gegangen ist, war schrecklich! Zu der Zeit hatten wir diese Kommunisten, die sich über schwache Demokratien hermachten, eine wahre Flut des Bösen über die Welt. Wenn wir uns gegen soetwas hätten verteidigen wollen, hätten wir die Courage haben müssen zu kämpfen. Heute haben wir eine moderatere Meinung, aber in jenen Tage sahen wir es als Kampf bis zum Tod.
Basieren irgendwelche der Seeabenteuer in deinen Büchern auf deinen eigenen Erfahrungen auf hoher See?
Nein, absolut nicht.
Es sieht aus, als hättest du ein besonderes Interesse an der irischen Mythologie. Fühlst du dich von ihr mehr angezogen, als von anderen Mythologien?
Ja, etwas. Aber ich mag auch die russischen Mythen! Sie sind voller Launen, voller Vorstellungskraft. Cu Chulainn interessiert mich nicht. Alle diese Geschichten über Viehdiebe sind langweilig. Ich bevorzuge Feen- und Geistergeschichten, aber russische Mythen sind packend, wie die von dem Haus, das auf Hühnerbeinen läuft.
Was ist mit griechischen Mythen?
Die langweilen mich. Ihnen fehlt dieses gewisse Etwas, diese Unterströmung des Fremdartigen und der Wildheit. So, wie bei dem mit der Medusa.
In The Chasch [Die Stadt der Khasch] hast du geschrieben »In Pera ist es niemanden erlaub zu stehlen und zu vergewaltigen, außer Naga Goho und seinen Schnappern.« Das ist ein bisschen stark oder was denkst du?
Das ist nur Satire. Es ist ein Teil der Eigenschaften der Gesellschaft, in vollständiger Harmonie mit ihren Prinzipien.
Der mysteriöse Charakter, der in der Alastor-Serie auftaucht, ist das der Connat?
Ja, ich möchte nicht allzu deutlich werden. Er ist ein wohlwollender Tyrann, eine Fliege an der Wand oder der Nikolaus. Er ist nicht allmächtig wie Gott, aber er ist da. Er reist verkleidet umher, sitzt in Bars und macht sich ein Bild von dem, was vorgeht. Ich weiß, dass das unmöglich ist. Es ist kaum zu glauben! Ich habe diese Idee verwendet, weil sie mir gefallen hat. Aber ich weiß, es ist unmöglich über 3000 Planeten zu herrschen, indem man von Bar zu Bar geht! Es ist keine großartige Vorstellung, nur eine, die wie eine Rauchsträhne umherschwebt: ein netter Mann, der hier- und dorthin geht, einige gute Taten vollbringt und dann wieder fortgeht. Aber wenn ich mir einen Splitter in den Fuß ziehe, glaube ich nicht, dass sich plötzlich die Tür auftäte und Präsident Clinton hereinrauschen würde, um ihn mir herauszuziehen!
In Servants of the Wankh [Gestandet auf Tschai] und anderen Geschichten schreibst du über offizielle Assassinen-Organisationen mit einem gut angesehenen Platz in der Gesellschaft. Was magst du an dieser Idee?
Nichts, es ist nur um der Schockwirkung willen. Es ist wie in Clarges (To Live Forever) [Kaste der Unsterblichen], wo es ein Mittel ist, um die Überbevölkerung zu kontrollieren. Es ist wie ein Spiel mit Worten: »Heute Abend laden wir unseren Assassinen zum Essen ein!« Nun… Es ist einfach, was man einen pathetischen rhetorischen Trick bezeichnen könnte.
Am Ende der Durdane-Serie und der Dämonenprinzen-Serie werden deine Helden von Melancholie befallen: Weshalb?
Das kommt daher, dass ich selbst von Melancholie befallen werde, wenn ich eine Serie beende…
Welchen deiner Helden hast du am liebsten?
Ich habe keinen Lieblingshelden… Cugel, vielleicht. Aber er ist nicht mein Liebling, es ist nur, dass er mich überrascht… Ich glaube eher, ich bewundere mich dafür, dass ich ihn erfunden habe.
Weshalb machst du mit ihm nicht weiter?
Ich glaube nicht, dass ich das könnte. Ich bin sehr stolz auf die beiden Cugel-Bücher… Obwohl ich über das erste Kapitel des ersten Buches nicht glücklich bin. Ich würde es gern korrigieren. Ich mag Navarth sehr, den Verrückten Dichter. Ich identifiziere mich mit ihm! Und da sind einige Frauen, die ich liebe… Besonders dieses Mädchen in dem gleichen Buch, wie war doch ihr Name… Flir?
Meinst du Jheral Tinzy?
Nein, eines der Mädchen, die aus ihr hervorgegangen sind.
Drusilla Wayles?
Ich kann mich nicht erinnern, aber Gersen trifft sie auf den Docks, als er zu Navarth geht, weißt du, was ich meine?
Ja, das ist Drusilla, Zan Zu von Eridu. Sie trägt einen schwarzen Rock und eine braune Jacke.
Wenn ich an sie denke, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich finde sie aufregend. Und dann gibt es noch dieses andere Mädchen in Abercrombie Station [Jean - eine von acht]. Ihr Name ist Jean Parlier. Ich bewundere sie.
Magst du den Fernsehfilm, der auf Bad Ronald basiert?
Nein, ich habe ihn nicht gesehen, aber er ist mit geschildert worden. Vielleicht hätte ich ihn mir ansehen sollen… Im Allgemeinen verdünnen Film und Fernsehen ein Buch und reduzieren es zu einem Nichts. Ich habe die Filme, die aus meiner Schreibe gemacht worden sind, nie gemocht.
Gibt es irgendwelche neuen Adaptionen?
Vielleicht ein paar, aber ich weiß es nicht. Mein Agent hat etwas erwähnt, aber…
Weshalb benutzt du verschiedene Pseudonyme: Jack Vance, John Holbrook Vance und Ellery Queen?
Weil Ellery Queen mir 3000 Dollars pro Buch geboten hat. In jenen Tagen war das viel Geld! Der Vertrag schrieb vor, dass ich nicht offenbaren durfte, dass ich sie geschrieben hatte. Also, in der Theorie, habe ich diesen Namen eigentlich gar nicht verwendet. Jedenfalls hat er einfach meine gute Prosa genommen und dann eine Menge Make-up hinzugefügt, um sein eigenes Süppchen zu kochen. John Holbrook Vance ist für meine Kriminalromane reserviert. Ich habe den Namen Jack Van See für "First Star I See Tonight" verwendet. Der Plan war viele Namen für verschiedene Stoffe zu haben, um mehr davon zu verkaufen, aber es funktionierte nicht. Ich konnte nicht abliefern. Es ist ein gescheitertes Konzept.
Deine letzten Bücher wirken etwas anders als die vorherigen. Was denkst du darüber?
Ich weiß es nicht. Ich sehe das nicht… Ich werde alt, das ist normal! Ich möchte nicht immer wieder dasselbe machen. Das habe ich doch schon in »Henry Meets the Tiger« geschrieben, zum Kuckuck nochmal! jetzt mache ich etwas anderes. Jedes Jahr gibt es etwas Neues. Aber meine Interessen entwickeln sich ein wenig… Obwohl nicht viel. Nun gibt es weniger ‘éclat’. Aber ich weiß es nicht… Ich fühle mich entspannter. In Ports of Call [Kaleidoskop der Welten] (das neueste veröffentlichte Werk) gibt es mehr komischen Stoff; still und leise lasse ich den komischen Teil meiner Natur – das, was davon vorhanden ist – heraus.
(1): siehe Jacques Chambons Vorwort zu “Le Livre d’Or de la Science-Fiction, Jack Vance” («Jack Vance, le grand temple de la science-fiction»)
(2): Jacques Goimard im Vorwort zu «Un tour en Thaery»
(3): Geschichtlicher Fehler, das war im frühen 19ten Jahrhundert.