Ports of Call
USA, 1998
Übersetzt von Andreas Irle
329 Seiten
Edition Andreas Irle, 1999
ISBN 3-9804569-5-1
€ 50,-
signierte Ausgabe
Leider nicht mehr lieferbar
»Wie sie sehen können«, sagte Maloof, »ist der Frachtaufseher ein Mann eisernen Willens und unerbittlicher Veranlagung. Er hat einen Verstand wie eine Falle und toleriert keine Unverschämtheiten von Seiten des Lagerarbeiters, sei dieser auch noch so hartnäckig.«
»Ich werde mein Bestes geben«, sagte Myron mit fügsamer Stimme.
»Das sollte reichen«, sagte Maloof. »Wir reisen mit zu wenig Personal auf der Glicca. Jeder ist vielseitig, besonders der Frachtaufseher, der zuweilen dem Koch und dem Ingenieur helfen muss oder als allgemeiner Deckshelfer fungiert. Sind sie sich über all das im Klaren?«
»Jetzt bin ich es.«
Während des frühen Nachmittags suchten Kapitän Maloof und Myron die Terminallobby auf. Auf der gegenüberliegenden Seite saß eine Anzahl von Verschiffungsagenten in kleinen Büros. Vor jedem Büro listeten Schwarze Bretter die Frachtpartien auf, die der Agent für die Verschiffung vorgesehen hatte.
»Hier ist es, wo das Geschäft kompliziert wird«, sagte Maloof zu Myron. »Wenn es lediglich eine Angelegenheit wäre, die Fracht von A nach B zu transportieren, dann sogleich eine weitere Fracht aufzunehmen und von B nach C zu bringen, dann von C nach D und so weiter, wären wir alle reich und nervöse Hysterie wäre unbekannt. Aber so einfach ist es nie.«
»Was ist mit Passagieren?«
Maloof zog ein verdrießliches Gesicht. »Passagiere sind, bestenfalls, ein notwendiges Übel. Ansonsten sind sie kapriziös. Sie beschweren sich. Sie ändern ihre Meinung. Sie streiten. Sie verlangen Extras, von denen sie hoffen, dass sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie durchstreifen das Steuerhaus. Sie sitzen in meinem Stuhl und lesen meine Bücher. Wingo ist viel zu nett zu ihnen. Schwatzendale schielt nach den Frauen und spielt mit jedem, den er durcheinanderbringen kann. Fracht ist besser. Sie ist ruhig und verlangt nicht nach Unterhaltung. Kommen Sie, lassen Sie uns herausfinden, was heute angeboten wird.«
Maloof und Myron machten einen Rundgang um die Schwarzen Bretter. Statt sich Notizen zu machen oder mit den Agenten zu beraten, fotografierte Maloof die Auflistungen. »Das ist die einfachste Methode,« erzählte er Myron. »Noch etwas, was bedacht werden muss: Fracht für ein unpassendes Ziel, kann häufig an einem Verbindungshafen zum Umladen gelöscht werden. Ein Großteil der heute aufgelisteten Frachten wurde zu genau diesem Zweck hier entladen.«
»Das Geschäft ist verwickelter, als ich erwartet hatte«, sagte Myron.
»Ganz recht. Eine profitable Fracht zusammenzustellen ist zu einem Teil Logik, zu zwei Teilen Intuition und zu drei Teilen Glück, besonders wenn wir hoffen, Gelegenheitsfrachten entlang des Weges aufzunehmen.«
Die zwei kehrten zur Glicca zurück. Maloof gab seine Fotografien in den Scanner des Schiffscomputers ein, wo die Informationen aufgenommen und verarbeitet wurden. Maloof sagte zu Myron: »Ich habe den Apparat angewiesen, etwas zu lösen, was als das ›Problem des reisenden Verkäufers‹ bekannt ist. Kennen Sie es?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Die Frage ist, wie ein Geschäftsmann seine Route zwischen einer Anzahl von Städten wählen sollte, um den Reiseweg zu minimieren. Es ist ein schwieriges Problem in seiner einfachsten Form; ich habe es um verschiedene Größenordnungen schwieriger gemacht, indem ich zwei neue Variablen eingeführt habe: die dritte Dimension und Profit. Unglücklicher-weise kann der Apparat keine en route aufgenommen Gelegenheitsfrachten fakturieren, deshalb ist die Lösung nicht exakt.«
Fünf Minuten vergingen. Der Computer erzeugte ein Klingeln aus drei Läuten. »Die Lösung ist bei der Hand«, sagte Maloof. »Der Apparat ist mit sich zufrieden.« Er lenkte Myrons Aufmerksamkeit auf eine Projektionszelle, die eine Vielzahl weißer Funken und drei Fäden aus farbigem Licht, rot, blau und grün, zeigte. Jeder Faden folgte einer Zickzackspur von Funke zu Funke.
Maloof fragte: »Verstehen Sie, was Sie sehen?«
»Ja. Die Funken sind Sterne; die farbigen Linien stellen mögliche Reiserouten von Stern zu Stern dar. Sie alle beginnen in Port Tanjee und enden bei verschiedenen Sternen.«
»Richtig«, sagte Maloof, »obwohl die Routenziele flexibel sind und von den Gelegenheitsfrachten abhängen.« Er nahm einen Ausdruck aus einem Schlitz im Computer. Für einige Minuten studierte er die Daten, dann blickte er zur Projektionszelle zurück. »Der ›blaue‹ Kurs wird der beste sein. Duhail, auf Scropus, wird die erste Kreuzung sein; als nächstes nach Coro-Coro; dann hinaus nach Cax auf Blenkinsop, was eine weitere Kreuzung ist.« Er faltete das Datenblatt und steckte es in seine Tasche. »Nun beginnt die richtige Arbeit, das Verhandeln der Kontrakte. Profit aus den Agenten zu ziehen ist wie das Wegschnappen von rotem Fleisch aus den Kiefern von Wölfen. Doch versuchen können wir es und am Ende überlassen sie uns mitunter einen oder zwei Bissen.«
Maloof und Myron kehrten zur Terminallobby zurück. Mit dem Ausdruck vom Computer in der Hand war Maloof in der Lage Frachten entlang der ›blauen‹ Route zu vereinbaren. Myron beobachtete die Verhandlungen mit Interesse. Maloofs Methoden waren lässig und nahezu geistesabwesend. Aber es schien Myron, als schritte die Arbeit prompt voran und erbringe Resultate, die Maloof offensichtlich zufrieden stellten. Schließlich bat Myron um eine Erklärung. »Weshalb läuft alles so glatt?«
Maloof lächelte. »Aus verschiedenen Gründen. Ich verlange keine unverschämten Zugeständnisse, so dass sich niemand beleidigt fühlt. Noch wichtiger, es sind Waisenfrachten, deren Bestimmungen weitab der fahrplanmäßigen Routen liegen, wo die Zustellung ungewiss ist. Der Agent muss warten, bis er ein Vagabundenschiff wie die Glicca findet. Da er Überliegegebühr für die Fracht bezahlt, verliert er jeden Tag, den die Ladung im Lagerhaus liegt, Geld. In den meisten Fällen ist der Agent begieriger darauf, die Fracht auf den Weg zu bekommen, als ich sie zu befördern. Heute sind uns die Kontrakte recht gut gelungen, aber ich bezweifele, dass wir die Kapazität auch nur annähernd erreicht haben. Wir müssen schauen, was wir noch auftreiben können.«
Während des Abends bereitete Myron ein Manifest vor und plante das effiziente Stauen der neuen Ladung. Am Morgen wurden die zu transportierenden Partien unter Myrons besorgter Aufsicht vom Warenhaus zum Ladedock befördert, dann in die Ladebuchten der Glicca geräumt. Wie Maloof befürchtet hatte, war die Fracht unzureichend und eine vollständige Ladebucht blieb leer.
Während des Mittnachmittags kehrten Maloof und Myron in der Hoffnung zur Terminallobby zurück, neu ausgeschriebene Frachtpartien zu entdecken, aber nichts hatte sich geändert und nur wenige Büros blieben geöffnet. In einem dieser Büros konferierte ein stämmiger schwarzbärtiger Mann, der einen braun-schwarz gestreiften Kaftan trug, in abwechselnd schmeichlerischer und aufdringlicher Manier mit dem Agenten. Er gab seinen Bemerkungen mit vehementen Gebärden Nachdruck. Um nicht zurückzustehen, reagierte nun der Agent seinerseits mit Gebärden, die seine Unfähigkeit ausdrückten die Nachfrage des anderen zu erfüllen. Seine Geduld hing schließlich am seidenen Faden. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schüttelte in einer letzten Zurückweisung der Nachfrage seinen Kopf. Mit beinahe greifbarer Erleichterung bemerkte er Maloof und deutete; der schwarzbärtige Mann drehte sich herum, spähte in Richtung Maloof, verließ sogleich das Büro des Agenten und durchquerte die Lobby im Trab.
Maloof hatte die Ereignisfolge bemerkt und sein Ausdruck wurde niedergeschlagen. Er murmelte Myron zu: »Es nahen schlechte Neuigkeiten! Ich entdecke einen Passagier.«
Der Mann im Kaftan hielt inne. Er war von mittelmäßiger Statur, hatte kleine Hände und Füße und einen dezenten Bauch. Schwarze Locken bedeckten seinen Kopf; sein schwarzer Bart war rechteckig bis fünf Zentimeter unter sein Kinn getrimmt; vorstehende braune Hundeaugen blickten aus einem runden ernsten Gesicht. Er stellte sich vor. »Ich bin Deter Kalash von Loisonville auf der Welt Komard. Mein Status ist, wie Sie leicht erkennen können, gut. Tatsächlich bin ich Per-rumpter der Klantik-Sekte und diene nun als Wegfinder für ein Kontingent von zehn Pilgern. Wir sind unterwegs nach Impy’s Landing auf Kyril. Bisher ist unsere Reise nicht erfreulich gewesen. In vollem Vertrauen auf eine Fahrt bis unmittelbar nach Impy’s Landing nahmen wir Passage an Bord der Bazard Cosway. Aber Kapitän Vogler änderte völlig rücksichtslos den Kurs und setzte uns mit unserer Bagage hier ab. Dies hat uns große Unannehmlichkeiten bereitet, da für uns die Zeit von Bedeutung ist.«
»Sehr bedauerlich!« sagte Maloof. »Nichtsdestoweniger ...«
»Einen Augenblick, wenn es Ihnen recht ist! Mir wurde gesagt, dass Ihre Reiseroute Sie durch die Pergolaregion in Richtung Kyril führt, wenn nicht gar nach Kyril selbst! Deshalb wünsche ich diesmal über eine Passage für elf Personen und elf Kisten mit heiligen Materialien in ›Erster Klasse‹-Qualität nach Impy’s Landing zu verhandeln. Wir kommen natürlich für den Almosensatz in Frage und unsere geweihten Kisten ohne Berechnung, umsonst und frei, wie es ohne Zweifel Ihre Verfahrensweise ist.«
»Nicht immer«, sagte Maloof. »Eigentlich nie.«
Kalashs Augen wurden rund vor Überraschung. »Ich muss auf den üblichen priesterlichen Zugeständnissen bestehen!«
Maloof seufzte tief. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.« Er durchquerte die Lobby zum Büro des Verschiffungsagenten. Er stellte eine Frage; der Agent holte verschiedene Karten heraus, die Maloof zu Rate zog. Ebenso studierte er eine Projektion vom Computer des Agenten. Dann kehrte er zurück zu Kalash und Myron und deutete ihnen an Platz zu nehmen. Als die Drei sich niedergelassen hatten, wandte Maloof sich an Kalash. »Ich nehme an, Sie haben Mittel bei sich, um die Transitgebühren zu bezahlen?«
»Selbstverständlich«, sagte Kalash mit in der Würde verletzter Stimme. »Halten Sie uns für Spurioniten oder für die Bruderschaft der Verdammten?«
Maloof zuckte mit den Schultern. »Für mich sind sie alle gleich, ist erst der Fahrpreis entrichtet.« Er holte einen Block gelbes Papier und einen Stylus hervor. »Nun denn: eins nach dem anderen. Sie wünschen Passage für elf Personen mit Bagage nach Impy’s Landing auf Kyril.«
»Exakt! Wir bevorzugen die semi-luxuriöse ›Erste Klasse‹-Kategorie. Die Bagage sollte, ob ihrer Natur, besondere Behandlung erfahren.«
»Beschreiben Sie diese Bagage, wenn es Ihnen recht ist.«
»Da gibt es nichts zu beschreiben«, sagte Kalash gereizt. »Jeder von uns trägt, zusätzlich zu seiner persönlichen Habe, einen Anteil an heiligem Material mit sich.«
»In einer Kiste? Ist das Ihre übliche Verfahrensweise?«
»Bis zu einem gewissen Grad. Nun denn! Was die Küche anbelangt, wir sind lediglich etwas pingelig, was ...«
»Kein Zweifel. Aber zunächst noch einige weitere Fragen. Was enthalten diese Kisten?«
Kalash runzelte die Stirn. »Jeder von uns bringt geweihtes Material mit, um die Substanz Kyrils zu bereichern.«
»Sind die Kisten ähnlich in ihrer Größe?«
»Sie sind identisch.«
»Aha! Und wie sind die Ausmaße jeder der Kisten?«
Kalash vollführte eine mitteilsame Gebärde. »Ich habe keine Ahnung; solche Details sind für mich nicht von Interesse. Nun denn, was die Küche betrifft ...«
Maloof ließ sich nicht ablenken. »Sind die Kisten in etwa so hoch?« Seine Hand etwa einen halben Meter über dem Boden haltend, blickte Maloof Kalash fragend an.
»Ich denke schon, mehr oder weniger. Irgendwo in der Nähe, würde ich sagen.«
Maloof hob die Hand um einen weiteren Viertelmeter. »So hoch?«
Kalash lachte. »Vielleicht – aber denken Sie daran! Ich bin weder Mathematiker noch ausgebildeter Schätzer.«
Maloof hob seine Hand in eine Höhe von anderthalb Meter über dem Boden. »So hoch wie dies?«
Kalash blickte missmutig. »Nein, so hoch gewiss nicht.«
Maloof kritzelte eine Notiz. »Sagen wir vorläufig einein-viertel Meter, vorbehaltlich Änderungen. Wie breit sind diese Kisten? Ungefähr so?«
Kalash räumte schließlich ein, dass die Maße jeder Kiste ungefähr anderthalb Meter in der Länge, dreiviertel Meter in der Breite und eineinviertel Meter in der Höhe waren.
Maloof machte Notizen. »Und es handelt sich um elf solcher Kisten?«
Kalash nickte knapp. »Merken Sie sich: alle sind erfüllt von einer starken spirituellen Inspiration.«
Maloof stellte Berechnungen an. »Sie werden ein Viertel einer Ladebucht einnehmen. Die Bruttosubstanz wird unseren üblichen Satz in Anspruch nehmen, einschließlich Inspiration. Als besonderes Zugeständnis wird die Inspiration ohne Zuschlag befördert.«
Kalash schrie im Protest auf, aber Maloof beachtete ihn nicht. »Es gibt noch einen weiteren Aspekt bei der Sache. Unsere Reiseroute schließt Kyril nicht mit ein. Wir werden Sie in Coro-Coro auf Fluter absetzen. Das ist der Verbindungsknoten von dem Sie nach Kyril umsteigen können.«
Kalashs Augen wurden rund und feucht. »Das ist keine erfreuliche Aussicht! Uns geht es darum, unserem Fünfjahres-Rondell nachzugehen! Sicherlich können Sie schräg abdrehen, damit Kyril in die Route mit eingeschlossen wird und uns nach Impy’s Landing hinunterbringen! Es wäre eine relativ geringfügige Kursabweichung.«
»Ja, in gewisser Hinsicht ist das richtig. Obwohl uns die ›Kursabweichung‹, die Sie erwähnen, im rechten Winkel vom Kurs abbringt und Sie einen Zuschlag bezahlen würden.«
Kalash sagte vorsichtig: »Dies scheint mir eine praktische Wahl zu sein – vorausgesetzt Sie nennen uns einen allumfassenden Fahrpreis, passend zur Tiefe unseres Geldbeutels.«
»Der Geldbeutel, um den ich mich sorge, ist mein eigener«, sagte Maloof. »Jedenfalls kann ich Ihnen Sätze nennen, wenn es das ist, was Sie wollen.«
»Selbstverständlich!« verkündete Kalash eifrig. »Berechnen Sie ihn auf einem leeren Blatt mit einem frischen Stylus. Gebrauchen Sie einen leichten Strich! Natürlich erwarte ich den vollen religiösen Rabatt!«
Maloof schüttelte lächelnd seinen Kopf. »Ihre Erwartungen sind unvernünftig. Unsere Fahrpreise sind nicht übertrieben.«
Kalash zog unsicher an seinem Bart. »Gut, das zu hören, gewiss. Und der Fahrpreis?«
Maloof stellte Berechnungen an. »Lassen Sie uns sagen hundert Sols jeweils für Pilger und Bagage nach Coro-Coro und ein allumfassender Zuschlag von fünfhundert Sols für den Umweg nach Kyril.«
Kalash schrie vor Pein auf: »Der Preis ist ungeheuerlich!«
»Wenn Sie das denken, können Sie eine dritte Option geltend machen«, sagte Maloof.
»Und die wäre?«
»Sie können eine Passage auf einem anderen Schiff nehmen.«
»Das ist recht unpraktisch! Kein anderes Schiff ist für die Pergolaregion vorgesehen.«
»Das liegt jenseits meiner Kontrolle.«
In ergreifendem Ton bat Kalash: »Denken Sie vorteilhaft von uns und unserer Pilgerfahrt! Wie die Paladine alter Zeiten widmen wir uns den Taten der Ehre! Unser Weg ist häufig schlicht, häufig bitter! Doch wenn wir die Einöden von Kyril durchqueren, werden wir die Altruisten anerkennen, die uns auf den Weg brachten!«
Maloof lachte verhalten. »Wir verfolgen ebenfalls ehrenhafte Ziele; solche wie Profit, Überleben und die pure Freude am Wringen von Einkünften aus geizigen Passagieren.«
»Das ist eine krasse Philosophie!«
»Nicht doch!« erklärte Maloof. »Rationalität ist niemals krass. Sie legt nahe, dass, wenn Sie sich den Luxus einer teuren Religion leisten können, Sie es sich auch leisten können, den vollen Satz plus alle zutreffenden Zuschläge auf Ihre Bagage zu zahlen.«
Kalash rang um eine adäquate Antwort. Myron beobachtete es mit großer Aufmerksamkeit. Jede Minute, so schien es wenigstens, lernte er einen wichtigen neuen Aspekt der Theorie und Praxis des Interwelten-Transports.
Kalash gab sich noch nicht geschlagen. Für weitere zehn Minuten redete er gut zu, tobte, schrie verzweifelt, flehte, nutzte alle Mittel der transzendentalen Doktrin, zuletzt aber ergab er sich mürrisch in seine Niederlage. »Es scheint, dass ich Ihren exorbitanten Gebühren zustimmen muss. Ich wähle die erste Option; wir werden bis Coro-Coro mitfahren und für das letzte Stück der Reise auf unser Glück vertrauen.«
»Wie es Ihnen gefällt.«
Kalash sagte großartig: »Noch in diesem Augenblick werde ich Ihnen eine Einzugsermächtigung über die volle Bezahlung, bezogen auf das Hauptquartier des Ordens, überreichen. Ich werde eine Quittung, bezeugt von Ihrem Assistenten, benötigen.«
Maloof lächelte und schüttelte seinen Kopf. »Das ist das letzte verzweifelte Gebet eines religiösen Zeloten.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Kalash steif.
»Wenn die Einzugsermächtigung wertlos ist, an wen wende ich mich?« fragte Maloof. »Durchsuche ich die Einöden von Kyril? Zwinge ich Sie zur Rückkehr nach Port Tanjee? Oder akzeptiere ich einfach Ihre Entschuldigung ob des Irrtums?«
Kalash richtete seine braunen Hundeaugen zur Decke. »Ha-ben Sie weder Glaube noch Vertrauen?«
»Weder noch.«
Kalash murrte weiter, aber Maloof blieb ungerührt und am Ende bezahlte Kalash die Fahrpreise in bar.
Während des Abends beaufsichtigte Myron das Verladen der Kisten der Pilger in die Ladebucht Nummer Drei. Die Kisten waren von gleicher Art und Abmessung, gezimmert aus dichtem dunkelbraunen Holz, zu Hochglanz gewachst und poliert, mit bronzenen Bändern befestigt und mit drei Schlössern gesichert. Als Antwort auf eine entsprechende Frage Myrons, wurde ihm lediglich gesagt, dass die Kisten Güter von äußerster Heiligkeit enthielten.
Die Pilger strömten an Bord der Glicca: eine ungleiche Gruppe, die im Alter von dem aufdringlichen und molligen Cooner zu dem trotzigen alten Barthold reichte. Während Zeitzer vom Temperament her sanft war, war Tunch mürrisch, sardonisch und argwöhnisch. Zwischen dem geistlosen Loris und dem Gelehrten Kershaw bestand eine noch größere Kluft, diesmal im Intellekt. Kalash der Perrumpter, obgleich in den meisten Belangen normal, war zuweilen übereifrig in seinen Bemühungen, Zugeständnisse zu erringen, für die er nicht bezahlen wollte. Kapitän Maloof, der erklärte, dass der Begriff »Erste-Klasse-Komfort« durchaus nicht auf die Dormitorien angewandt werden könne, teilte die Pilger ein.
Maloof zuckte mit den Schultern. »Da wir nur eine Klasse von Unterkünften bereitstellen, passt der Begriff ›Erste-Klasse-Komfort‹ so gut wie jeder andere.«
Kalash versuchte weiter zu protestieren, aber Kapitän Maloof weigerte sich zuzuhören. »Bitte richten Sie in Zukunft alle Beschwerden an den Frachtaufseher, der die Unzulänglichkeiten, falls möglich, entsprechend ändert.«
Die Pilger kamen sogleich mit eine Beschwerde über die Einrichtung des Speiseraums zu Myron. Statt am langen Tisch mit Bänken an beiden Seiten, wollten sie an Tischen mit leinener Tischwäsche bedient werden. Myron stimmte umgehend zu und bereitete ein Menü vor, bei dem jeder Posten so ausgezeichnet wurde, wie es in einem Luxusrestaurant der Fall sein mochte, dazu kam eine tägliche versteckte Gebühr von einem Sol pro Person.
Kalash studierte die Speisekarte mit Überraschung und Missfallen. »Hier gibt es viel, was ich nicht verstehen kann. Was ist dieser Posten: ›gekochte Bohnen nach Wingo-Art‹ für einen Sol? Und hier: ›Salzmakrele au naturel‹ für einen Sol und siebzig Heller? Bei diesen Preisen können wir es uns nicht leisten zu essen!«
Myron sagte: »Sie mögen das normale Menü vorziehen, welches häufig recht anständig und im Fahrpreis inbegriffen ist.«
»Ja«, knurrte Kalash. »Wir werden es versuchen.«
Wingo servierte ihnen ein gutes Abendessen aus Gulasch, Klößen und seinem speziellen Salat und Kalash war mit seinem Essen so beschäftigt, dass er sich nicht beschwerte.
Maloof sagte zu Myron: »Ich sehe, dass Sie die Grundbegriffe des Gewerbes lernen. Sie können letzten Endes ein erfolgreicher Frachtaufseher werden, trotz Ihres unschuldigen Aussehens.