The Rapparee
Jack Vance, 1950, 1953
Übersetzt von Andreas Irle
154 Seiten
Edition Andreas Irle, 2019
ISBN-13 978-3-936922-34-9
Preis: € 50,--
Paddy seufzte. Fay meinte: »Du bist so clever nicht. Du wolltest mir ja nicht glauben, als ich gesagt habe, der Punkt sei nicht auf der Klippe, sondern an deren Basis.«
Paddy stand der Sinn nach Streit. »Wie könnte das sein? Das Heilige Zeichen war da, genau wie es auf dem Fragment stand.«
»Unsinn«, versetzte Fay. »Du wirst schon sehen.«
Ihr Boot war unangetastet. Sie krochen hinein, versiegelten das Luk. Sie stieg auf den Pilotensitz. »Du hältst Ausschau.«
Sie ließ das Boot aufsteigen, vom Plateau schweben und es unter das Gas sinken, das sich leuchtendgelb durch das Beobachtungsfenster zeigte.
»Die Farbe stammt von schwebendem Staub«, erklärte Fay spontan. »Das Gas ist dicht, und der Staub sucht sich die Ebene seines eigenen spezifischen Gewichts und bleibt dort ewig schweben. Etwas weiter unten wird das Gas klar – wenigsten wurde es mir so berichtet.«
»Woraus setzt sich das Gas zusammen«, erkundigte sich Paddy. »Ist das überhaupt bekannt?«
»Neon-Kryptonit.«
»Eine seltsame Paarung«, bemerkte er.
»Es ist ein seltsames Gas«, entgegnete Fay scharfzüngig.
Nun ließ sie das Boot fallen. Der sonnendurchflutete Staub verschwand, und sie erblickten eine wunderbare neue Landschaft. Es glich nichts, was sie beide jemals zuvor gesehen hatten und nichts, was sie sich hätten vorstellen können.
Das gelbe Licht von Alpheratz war mit einem altgoldenen Überzug getönt, einem lohfarbenen Schein, der die Landschaft in ein unwirkliches dunstiges Märchenland verwandelte. Unter ihnen befand sich ein breites Tal mit Hügeln und Senken, welche in der goldenen Düsternis verschwanden. Zur Linken türmte sich die große Klippe von Kolkhorit auf, bis sie oben außer Sicht geriet. Fay folgte der Klippe, bis sie die Oberfläche durchbrach und ließ das Boot wieder fallen.
»Dort ist das Nordkap«, zeigte sie. »Und da das kleine Plateau – das ist genau der richtige Ort.«
Paddy erwiderte mit gedämpfter Stimme: »Ja, bei allem, was heilig ist, du scheinst dieses eine Mal recht zu behalten.«
»Schau!«, rief Fay. »Siehst du dieses Ding, das aussieht wie eine Sonnenuhr? Das ist es, was wir suchen.«
Fuchsteufelswild, bange und frustriert kehrte Paddy in die Quartiere der Dienerschaft zurück. Er legte die Portierskleidung ab und suchte sich den Weg zu den Baracken. Der Oberverwalter stand neben seiner Schlafwanne.
»Da sind Sie also! Hierher, Beeilung! Die Eröffnung hat stattgefunden und Sie sind jetzt an der Reihe. Holen Sie Ihre Ausstattung.«
»Ich brauche nur ein Kartenspiel«, erwiderte Paddy müde. Wie sollte er es Fay beibringen? Sie, die von seiner Findigkeit und Cleverness abhing … Sie mussten verschwinden. Sobald der Berater auf Seite 100 stieß, würde er nach dem Oberverwalter schicken und sich nach dem merkwürdigen literarisch gebildeten Portier erkundigen.
Paddy sagte zu dem Verwalter: »Ich glaube, ich spreche zunächst mit meiner Frau.«
»Gehen sie dort hinein!«, schrie der Verwalter. »Bevor ich Sie hineinprügele! Sie werden Ihre Frau zur angemessenen Zeit sprechen können.«
Der Ausgang war versperrt. Niedergeschlagen folgte Paddy dem Verwalter. Jeden Augenblick konnte das Furore ausbrechen. Ah ja, dachte Paddy, der Tod ereilt alle Menschen. Vielleicht hatte der Berater das Buch auch lediglich wieder zurückgestellt.
Hoffnungsvoller folgte er dem Verwalter eine Rampe hinauf in ein Vorzimmer zur Schaubühne. Der Verwalter gab ihn in die Obhut eines Badaus in roter und grüner Tunika. »Hier ist er – der Magier. Ich musste das gesamte Gebäude nach ihm absuchen.«
Der uniformierte Badau inspizierte Paddy scharf. »Wo ist Ihre Ausstattung?«
»Geben Sie mir einfach ein Kartenspiel«, entgegnete Paddy. »Das ist alles, was ich im Moment brauche.«
»Im Regal dort. Jetzt passen Sie gut auf. Sie sind nach der gegenwärtigen Darbietung an der Reihe. Treten Sie auf die Bühne; verbeugen Sie sich vor den Speisenden. Sehen sie zu, dass Ihr Humor, falls Sie Gebrauch davon machen, von kultivierter Natur ist; die Lords sitzen beim Mahl. Verbeugen Sie sich, bevor Sie die Bühne verlassen. Betragen Sie sich mit äußerstem Respekt. Das hier ist keine schmierige Taverne auf der Erde.«
Paddy nickte, stellte sich neben den Zugang zur Bühne, auf der eine irdische Frau einen exotischen Tanz vorführte. Die Musik drang aus einem Gitterband, welches um die Bühne herum verlief –, eine Musik von einer Stimmung, so warm und bezaubernd wie der Tanz selbst.
Das Badau-Publikum war aufmerksam, gespannt. Verdammte Satyrn, dachte Paddy und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Tanz mit sich windenden, posierenden Drehbewegungen. Das Mädchen trug einen goldenen Stringtanga über den schlanken, aber reifen Hüften, eine Schulterbluse aus Gaze und einen hohen, pagodenähnlichen Kopfschmuck. Es war so geschmeidig wie fließendes Wasser. Seine Bewegungen waren die Pulsfrequenz steigend lassende Versprechen der Freude.
Die Musik wurde lauter und leiser, wurde melodiös, pikant, sanft und im Takt schneller bis zum Höhepunkt. Sich verflechtende Arme, Anheben des geschmeidigen lieblichen Torsos, Biegen der runden Beine, Zusammensinken in einem Knicks und Abgang von der Bühne.
»Puh!«, sagte Paddy mit glitzernden Augen. »Das wäre eine gute Schiffsgenossin für mich; da würde ich sogar die maevischen Frauen vergessen.«
»Magier Schwarz enthüllt antike Geheimnisse und Mysterien der Erde«, kündigte eine Stimme den Zuschauern an.
The Five Gold Bands: ein früher Roman Jack Vances, der in der Vance Integral Edition unter dem Titel The Rapparee erschien, was so viel heißt wie „irischer Bandit“. Und das ist Patrick Delorcy Blackthorn nun einmal, ein Ire und ein Bandit. Und hätte er seine kongeniale Partnerin Fay Bursill nicht, wäre Paddy aufgeschmissen.